OrthoCast - Der Orthinform Podcast

Rakete zündet, Hand verliert: Keine Mutprobe ist so cool wie Deine Finger

Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) Season 3 Episode 4

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Funken am Himmel, Katastrophen in der Hand: Du entscheidest in der Silvesternacht, wie Dein Jahr beginnt.

Gemeinsam mit Dr. Adrian Scale, niedergelassener Handchirurg mit jahrzehntelanger Erfahrung aus großen Unfallkliniken, nehmen wir das Silvester-Risiko nüchtern unter die Lupe. 

Warum sind Hände so oft die Leidtragenden? Weil sie am nächsten an der Zündschnur sind – und weil Alkohol, Mutproben und falscher Umgang mit Pyrotechnik kleine Fehler in große Schäden verwandeln kann. 

Im Podcast sprechen wir über Brandgrade, thermische Tiefe, Narbenbildung, Kontrakturen und darüber, warum die beste Operation nicht immer die ist, die alles rekonstruiert, sondern die, die am Ende die meiste Funktion zurückgibt.

Dr. Scale führt durch echte Szenarien: von oberflächlichen Verbrennungen bis zu Blowout-Verletzungen, abgerissenen Fingern und komplexen Kontaminationen, die Ödeme und Infektionen begünstigen. 

Wir zeigen, wie thermische Schäden Rekonstruktionen in den Tagen nach dem Ereignis zunichtemachen können. Dazu kommen harte Wahrheiten über Liegezeiten, monatelange Rehabilitation und Fälle, in denen eine berufliche Neuausrichtung wegen eines Funktionsverlustes der Hand unausweichlich wird. 

Besonders eindringlich: die jährliche Welle an Kinderverletzungen am 1. Januar durch Blindgänger mit kurzen Zündschnüren.

Worauf jeder Anwender von Feuerwerk achten muss: Der Unterschied zwischen CE- und TÜV-geprüftem Feuerwerk und illegaler Pyrotechnik mit unberechenbaren Sprengstoffen wie Phosphor. Legales Feuerwerk ist kein Freifahrtschein, aber bei sachgerechter Anwendung deutlich kalkulierbarer.

Wir liefern klare, sofort anwendbare Sicherheitsregeln: nie aus der Hand zünden, Abstand halten, nicht zurücklaufen. Blindgänger liegen lassen, Anleitung wirklich befolgen und Kinder konsequent aufklären. 

Zudem klären wir auf, wann eine Verletzung zwingend in die Handchirurgie gehört – etwa bei offenen Wunden, Bewegungsstörungen, starken Schmerzen nach Nüchternheit oder zirkulären Verbrennungen mit dem Risiko eines Kompartmentsyndroms.

Teile diese Folge mit Freundinnen, Eltern und allen, die zu Silvester ein Feuerwerk zünden wollen. Abonniere den Podcast, lass eine Bewertung da und hilf mit, dass mehr Menschen mit zehn funktionierenden Fingern ins neue Jahr starten.

Mehr Informationen zum verantwortungsvollen Umgang mit Feuerwerk findest Du  bei der gemeinsamen Kampagne von ärztlichen Berufsverbänden und Organisationen.

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#Feuerwerk #Duentscheidest #seikeinopfer #Handverletzung #Silvester 

Music under CC License:
Artist: Jahzzar, Track: Blueprint (License: CC BY-SA 4.0 DEED)
Artist: Breuss Arrizabalaga Quintet, Track: Mount Fuji (License: CC PD)

SPEAKER_00:

Herzlich willkommen heute bei uns Dr. Adrian Skale. Er ist ein niedergelassener Handchirurg, hat aber viele Jahrzehnte Erfahrung in großen unfallchirurgischen Kliniken, zum Beispiel dem Unfallkrankenhaus in Berlin oder auch der Charité. Und ist an einem handchirurgischen MVZ, das nennt sich Cura Docs und ist in Berlin und er leitet das Referat Handchirurgie im Berufsverband Orthopädie Unfallchirurgie. Herzlichen Dank, Adrian, dass du heute bei uns bist, denn es geht um ein ganz explosives Thema. Der Jahreswechsel kündigt sich an. Und das Thema ist Silvester und die Hand. Und da zucken wahrscheinlich alle Hörer jetzt so ein bisschen zusammen. Adrian, warum geht die Hand so oft kaputt bei Silvester?

SPEAKER_01:

Ja, also das Ganze geht natürlich damit los, dass die allermeisten Feuerwerkskörper irgendwie angezündet werden müssen. Und das machen wir normalerweise mit der Hand. Und das heißt, die Hand ist das, was am nächsten an diesen potenziell explosiven Gegenständen dran ist. Und dann gibt es natürlich Anweisungen auf jeder dieser Packungen, die hat ja jeder vielleicht schon mal gelesen oder die meisten vielleicht auch gar nicht, weil es ist ja auch relativ einfach. Da ist eine Zinsschnur, die zündet man an. Und dann rennt man weg. Das ist schon, aber auch schon der Stolperstein für häufige Verletzungen, weil manche laufen einfach nicht weg oder dann gibt es Mutproben oder Alkohol spielt sicherlich eine große Rolle, weil das einfach die Risikobereitschaft erhöht, beziehungsweise die Leute unvorsichtiger werden lässt. Und deshalb sind Handverletzungen sehr häufig in der Silvesternacht. Neben den Verletzungen des Ohr und des Auges und der Haut, die natürlich überall mal einen Verbrennungsschaden haben kann. Da sind aber natürlich das Gesicht und auch wiederum die Hände, das, was normalerweise aus den dicken Jacken rausguckt. Und deshalb haben wir besonders viele Verletzungen der Hände in den Tagen, in denen das Feuerwerk bei uns legal genutzt werden darf.

SPEAKER_02:

Was würdest du sagen, ist so das Häufigste, was du siehst? Also was ist das, was in der Notaufnahme landet? Was ist das, was dramatisch ist? Gut, da kann sich, glaube ich, jeder etwas vorstellen, aber was ist so das häufigste, das Alltäglichste, sage ich mal, in Anführungszeichen im Rahmen des ist natürlich kein Alltag, ist natürlich nur Silvester, aber was ist das, was ihr am häufigsten seht?

SPEAKER_01:

Bei den kleineren Verletzungen sind es die Verbrennungen, das heißt oberflächliche Verbrennung ersten Grades, mittelgradige Verbrennung zweiten Grades A und B. Eine Vernetzung dritten Grades gibt es eigentlich nur mit tiefergehender Gewebezerstörung. Das heißt, da ist dann auch die Sprengwirkung so groß, dass nicht nur die Haut verbrennt, sondern auch die Hand strukturell kaputt geht. Ich habe natürlich eine sehr verzerrte Wahrnehmung, weil bei uns im Unverkrankenhaus oder an der Charité landen natürlich die besonders schweren Fälle, die von kleineren Krankenhäusern vielleicht nicht in der hohen Qualität versorgt werden können. Im Unverkranktenhaus hatten wir an diesen Tagen immer doppelt handchirurgische Dienste und wussten, wir müssen 24 Stunden durchoperieren. Das sind schon straffe Dienste. Und dann kriegt man natürlich dort eher die schlimmeren Sachen. Also dann gibt es so Blowout-Verletzungen, wenn der Feuerwerkskörper in der geschlossenen Hand hochgeht, wo sozusagen die knöchernen Strukturen durch den Weichteilmantel nach außen gesprengt werden, die man dann wieder rekonstruieren muss. Abgerissene Finger, teilweise, wenn die Sprengkraft ausreichend ist, auch eine komplett abgerissene Hand. Das Problem ist, dass diese Verletzungen alle nicht nur die mechanische Verletzung ist. Also ich sag mal, man hackt sich einen Finger mit einer Axt ab, das ist noch rein mechanische Verletzung. Da gibt es aber nicht diese ganzen Begleitverletzungen durch Verschmutzung, durch die thermische Wirkung, also die Hitzeeinwirkung mit der Verbrennung, die alle bei diesen Sprengverletzungen in den Tagen danach relativ ausgedehnte Komplikationen machen. Stichwort Schwellung, also natürlich durch diese Hitzeeinwirkung kommt es zu einer massiven Schwellung der Hand, einem sogenannten Ödem. Und zusätzlich halt noch die Verbrennung, die die Hautbarriere so schädigt, dass die Patienten auch alle ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko haben im Vergleich zu einer anderen mechanischen Verletzung, bei der es nicht zu einer Hitzeeinwirkung kommt.

SPEAKER_00:

Ja, alle können sich so ein bisschen vorstellen. Es ist also ziemlich schwierig, einmal für den Chirurgen, das Team, dass das behandeln muss, aber auch für den Patienten. Denn so eine Hand brauchen wir ja für den Alltag, für unseren Beruf, für eigentlich alles. So eine richtige Sprengverletzung, wie oft kriegt ihr das wieder repariert? Wie gut wird das, wenn ihr das wieder zusammennäht?

SPEAKER_01:

Also, wenn es gute Handchirurgen sind, natürlich besser, als wenn es irgendwelche Unerfahrenen sind. Aber das kommt halt maßgeblich auf den Grad der Verletzung an. Es gibt Verletzungen, die so schwer sind, dass eine Hand nie wieder ihre ursprüngliche Funktion zurückerhalten wird. Das sieht man dann aber schon vorher. Da weiß man, okay, das ist ein zersprengtes Stück Fleisch, was ich jetzt versuche, irgendwie wieder eine Funktion zuzuführen, die aber sehr rudimentär ist oder sehr limitiert sein wird. Da muss man auch, während man überlegt, was ist jetzt eigentlich sinnvoll zu rekonstruieren, weil man kann ja theoretisch 20 Stunden an sowas operieren, wenn man sehr detailverliebt ist und der Meinung ist, man will alles wieder rekonstruieren. Nur dafür, dass dann der thermische Schaden im Laufe der nächsten Tage das Gewebe untergehen lässt und zwei Drittel der eigenen Rekonstruktionsarbeit im thermischen Schaden untergegangen ist. Das ist natürlich alles nicht sinnvoll. Das heißt, diese Operationen werden extrem zielgenau darauf geplant, wie kriegt man mit einem adäquaten Aufwand eine maximal mögliche Funktion aus der Hand wieder raus. Nur weil man alles technisch rekonstruieren kann, ist das ganz häufig für die Patienten am Ende gar nicht unbedingt nutzbar. Und das sind Entscheidungen, die trifft man eigentlich schon vor der OP oder während der OP trip, wenn sich das gesamte Verletzungsausmaß einem darstellt. Und das sind natürlich alles Entscheidungen, bei denen die Patienten, die zum Großteil unter Schock stehen, nicht so richtig mitentscheiden können, weil viele dieser Entscheidungen auch während der Operation getroffen werden, wo die Patienten natürlich in Narkose sind. Und das sind Verletzungen, die in den allermeisten Fällen mit einem bleibenden Schaden zurückbleiben, selbst wenn man hervorragende Chirurgen hat, die einen sehr guten Plan haben.

SPEAKER_02:

Du hattest gerade schon gesagt, die Funktion der Hand ist natürlich das Maßgebliche. Klar, wenn wir eine Riesensprengverletzung haben, das ist, glaube ich, allen klar, auch allen Zuhörern, das kann man sich vorstellen, wenn da abgerissene Finger sind, dass die Funktion nicht mehr richtig funktioniert. Aber vielleicht kannst du nochmal deutlich machen, warum auch Verbrennung an den Fingern oder an der Hand auch nicht ganz ungefährlich sind und warum das eben auch entsprechend sinnvoll und fachmännisch oder fachfraulich versorgt werden sollte.

SPEAKER_01:

Ja, bei der Verbrennung dachte ja jeder mal irgendwie so eine kleine Verbrennungsblase an der Hand, dass es 1 bis 2a-gradige Verletzung, die ohne bleibenden Schaden einhergeht. Und die Verbrennungsschwere bemisst sich vor allem nach der Verbrennungstiefe. Das heißt, wie tief geht der Hitzeschaden in die Haut oder ins Gewebe letztlich rein. Und ab dem Grad 2b sprechen wir darüber, dass eine Verbrennung einen dauerhaften Schaden hinterlässt, nämlich eine Narbe erstmal, weil die Gewebeschicht, aus der die Haut sich immer wieder neu generiert, das ist ein lebenslanger Prozess, dann so geschädigt ist, dass die sich nicht wieder regenerieren kann. Da gibt es natürlich verschiedene Techniken, wie man diesen Schaden trotzdem operativ korrigieren kann mit Hauttransplantation, mit der sogenannten Lappenoperation, wo man gesundes Gewebe in den geschädigten Bereich reinschwenken kann und darüber diesen Schaden korrigieren kann, was dann aber häufig mit Narbenbildung einhergeht. Und das ist das eine Problem. Und das andere Problem ist aber, dass nicht nur die Haut, sondern ab einer gewissen Einwirktiefe auch das restliche Gewebe, also das Bindegewebe, Sehnen, Gelenkkapseln und so weiter durch die Hitzeeinwirkung so Schaden nehmen können, dass die ihre Elastizität verlieren. Das heißt, es kommt zu sogenannten Kontrakturen, also Einsteifungen, gerade im Gelenkbereich oder im Bewegungsbereich, die dann schon viel schwieriger zu rekonstruieren sind, als nur eine defekte Haut, die man halt, wie gesagt, mit einer Transplantation oder so einem Lappen eventuell ersetzen kann, bis zu einer gewissen Größe zumindest. Und die tiefer liegende Gewebsschädigung, die macht normalerweise eine nicht mehr korrigierb oder nur noch sehr schwer korrigierbare mechanische Beeinträchtigung. Das heißt, dass man dann nicht nur eine Haut hat, die vielleicht kein Gefühl hat und die eine dicke Narbe hat, sondern dann, dass man den Finger auch einfach nicht mehr gut bewegen kann oder die Hand.

SPEAKER_00:

Wenn wir uns jetzt mal so eine Silvesternacht vorstellen, weil der es halt mal irgendwo richtig schief geht mit der Hand und der landet im OP und wird rekonstruiert. Wie lange muss man sich so eine Nachbehandlung vorstellen? Ist der im Sommer einigermaßen wieder nutzbar, der Finger, oder dauert das länger?

SPEAKER_01:

Also es ist natürlich wieder vom Ausmaß abhängig, logischerweise. Aber normalerweise sind die Patienten mit einer Sprengverletzung irgendwas zwischen einer Woche und drei bis vier Wochen im Krankenhaus. Das sind so die klassischen Liegezeiten, je nach Ausprägung halt. Und wenn es wirklich so ein höhergradiger, ein höhergradiger Funktionsverlust dabei ist, dann resultieren halt auch mal schnell Krankheitszeiten von drei bis sechs Monaten. Es gibt aber natürlich auch hochgradige Sprengverletzungen, wo man sagt, okay, sie sind Zerspannungsmechaniker oder sie sind Tischlerlehrling, das werden sie nicht mehr machen können. Das heißt, dass man dann schon im Krankenhaus aufgrund dieses Ausmaßes der Verletzungen Gespräche über berufliche Neuorientierung führen muss. Musste ich schon mehrfach.

SPEAKER_00:

Wenn du jetzt, nachdem du so viele verschiedene Handverletzungen an Silvester schon gesehen hast, den Leuten da draußen einen Rat geben müsstest, du sagst, was man auch wirklich auf gar keinen Fall machen sollte. Was wäre das?

SPEAKER_01:

So viele gute Ratschläge. Also, das, wo wir relevante Unterschiede sehen, ist der Unterschied zwischen dem DIN- und CE geprüften Feuerwerk, was bei uns ja in diesen Tagen vor Silvester legal käuflich zu erwerben ist. Da ist der Sprengstoff Schwarzpulver. Der ist limitiert in seiner Sprengkraft. Und das ist auch gut, der kann auch relevante Verletzungen verursachen, wenn man damit Scheiße baut. Dann, um das mal ganz plastisch zu sagen, dann kann man auch damit schlimme Verletzungen hervorrufen. Dann gibt es aber das in Deutschland offiziell nicht zugelassene Feuerwerk, wofür ja manche Leute sogar sehenden Auges ins Ausland fahren. Da gibt es dann ganze Feuerwerksmärkte und so weiter. Und dort gibt es Feuerwerkskörper, die zum Beispiel mit Phosphor als Sprengmittel bestückt sind. Phosph ist ein richtiger Sprengstoff. Den gibt es auch in Kriegsgebieten im Einsatz. Der ist hochgradig instabil, deshalb ist er uns nicht zugelassen. Und der hat eine nicht zu kalkulierende Sprengkraft, der kann sich auch von sich selbst entzünden. Das heißt, den muss man gar nicht anzünden. Da gibt es immer wieder Fälle, wo jemand gesagt hat, ja, das hatte ich in meiner Tasche liegen und dann ist auf einmal meine Tasche explodiert, als ich meine Hand da drin hatte. Das heißt, da steckt viel weniger Kontrolle drin. Es geht ja immer darum, wie viel Kontrolle hat man und wie viel Sicherheit ist da. Und ich sage, wenn man normales, legales, Feuerwerk sachgerecht bedient, dann ist das Risiko sehr gering. Aber spätestens, wenn die Leute mit diesem Feuerwerk anfangen, leichtsinnig umzugehen oder dann Substanzen verwenden, die einfach in sich schon eine hohe Instabilität haben, dann wird das Risiko sehr, sehr, sehr groß. Und da kann ich nur dringend von abraten, wenn man mich fragt, was man machen sollte und was man sein lassen sollte. Das sollte man sein lassen. Und kann man das von außen irgendwie erkennen? Ja, das legale Feuerwerk ist ja TÜV und CE-Zertifiziert und da sind überall diese Logos drauf. Und man kann, wenn man in Deutschland Feuerwerk kauft, das andere nicht erwerben. Also zumindest nicht im legalen Handel. Da muss man sich schon sehr zumindest ein bisschen Mühe geben, um das illegale Zeug käuflich zu erwerben. Und also das ist ja immer, also man wird dann nicht, wenn man sagt, jetzt will ich mal für meine Familie Feuerwerk kaufen, wird man nicht versehentlich über irgendein illegales Phosphor-Zeug stolpern. Das sucht man und wenn man das haben will, dann findet man das irgendwo. Sei es jetzt irgendwo auf dem Schwarzmarkt oder im Ausland oder wie auch immer. Aber da wird man nicht versehentlich drüber stolpern. Da muss man schon jedem, der sowas in der Hand hat, einen gewissen Grundwillen dazu unterstellen.

SPEAKER_00:

Was ist denn so bei dir die, ja, sagen wir mal, gefährdetste Patientengruppe? Also welche Gruppe Patienten kommt immer wieder?

SPEAKER_01:

Ja, also es gibt verschiedene Gruppen und das ist tatsächlich auch zeitlich so ein bisschen unterteilt. In meiner Erfahrung ist das so: in den Tagen vor Silvester und am Silvesterabend kommen vor allem junge Männer zwischen 15 und 30 und am 1. Januar, und das finde ich, waren deshalb für mich immer die blödesten Dienste, kommen ganz viele Kinder. Weil die laufen am 1. Januar durch die Straßen und schauen, was ist liegen geblieben. Weil die dürfen ja, die kriegen ja häufig von den Eltern nichts, die dürfen nicht. Und manche sind da auch streng erzogen und so weiter. Aber am 1. Januar laufen die durch die Straßen, gucken, was liegen geblieben ist, was nicht gezündet hat, wo die Zündschnur vielleicht noch ganz kurz dran ist und dann versuchen die diese Sachen noch zum Explodieren zu bringen. Und da steckt, also allein wegen der kürzen Zündschnüre oder weil die dann irgendwelche Sachen aufsägen, um da irgendwas rauszuholen oder so. Da steckt so viel Drama drin. Also ich habe noch einen Dienst ganz doll in Erinnerung. Da hatte ich am 1. Januar irgendwie drei Jungs, der eine war acht, der andere war zehn und der andere war elf. Und der eine kam aus dem Irak und der zweite kam aus Syrien und der dritte kam irgendwo aus Afghanistan. Und die waren alle, kam irgendwie aus so einer Flüchtlings-Community. Und das war auch in dieser Absurdität. Man ist Flüchtling, man will eigentlich irgendwo sein, wo einem keine körperliche Verletzung droht, wo man in Sicherheit leben kann. Und dann gibt es trotzdem Sprengverletzungen aus, ich sage mal, ganz plastisch kriegsähnlichen Situationen. Da zweifelt man dann schon irgendwie so ein bisschen. Das hat mich zumindest sehr mitgenommen. Und deshalb finde ich die Dienste am 1. Januar immer so ein bisschen schwieriger, weil das einfach mit den Kids, die dann ja auch, was weiß ich, die wollen Mutproben machen und die wollen sich was beweisen und die haben aber eventuell keine Ressourcen oder keine Erlaubnis für das legale Zeug und dann machen die halt Quatsch, das haben wir früher wahrscheinlich auch alle mal gemacht, aber die sehen halt nicht, dass sie eventuell an der Stelle für ihr Leben eine prägende Entscheidung getroffen haben, die ihnen ganz viele Sachen vielleicht nicht mehr ermöglicht, vielleicht mit der rechten Hand im Stift zu halten, womit ganz viele Sachen auf einmal nicht mehr gehen, die eventuell keinen handwerklichen Beruf mehr erlernen können, weil die Hand nicht mehr funktioniert, die keine Chirurgen werden können oder irgendwas. Und das ist einfach dramatisch, weil dort so zentrale Weichen gestellt werden durch eine doofe Fehlentscheidung, die einem aber eventuell ein Leben lang begleitet.

SPEAKER_02:

Gut, die Kinder machen das ja im Zweifelsfall nicht bewusst oder sich über die Tragweite vorher Gedanken. Das ist ja dann genau die Schwierigkeiten, gerade am ersten, ersten. Nochmal ganz kurz, um allen deutlich zu machen, Feuerwerk, zertifiziertes Feuerwerk kann man anzünden mit den Sicherheitsverkehrungen, Abstand halten, anzünden, weit weg, wenn es nicht zündet, nicht hinterhergucken, nicht aus den Händen irgendwelche Dinge beschießen. Ich glaube, das ist allen Klammer, aber ich wollte es noch einmal ganz kurz gesagt haben. Das ist ganz, ganz wichtig. Es gibt Regularien dafür, bitte sich damit einmal auseinandersetzen und vielleicht auch den Kindern oder auch Freunden oder sowas nochmal einmal klar machen. Aber wenn das jetzt passiert, meinst du, jetzt ist die Situation passiert, man hat sich verbrannt. Welche Verletzungen gehören in die Klinik? Aber Finger, aber Hand, ist klar, gehört in die Klinik, einsammeln alles, was man noch findet und in die Klinik, okay, und Notarzt kommt wahrscheinlich auch. Das ist klar. Aber was ist mit kleineren Verletzungen? Welche, würdest du sagen, gehören auf jeden Fall in eine handschirurgische Abteilung und müssen auch regelmäßig kontrolliert werden?

SPEAKER_01:

Es ist schwierig, so Grenzen zu setzen, weil man sieht ja immer mal wieder Sachen, die falsch gebahnt sind. Man sieht Menschen, die kommen am 3. Januar in die Praxis mit einer erstgradigen Verbrennung irgendwie zweimal zwei Millimeter und sagen, das wollten sie angucken lassen. Und dann zuckt man mit den Schultern und sagt, so, jetzt habe ich es gesehen. Und da sagt man, okay, da ist man vielleicht ein bisschen zu übervorsichtig. Und da gibt es manche Menschen, die haben irgendwie an drei Fingern aufgerissene Strahlen und an zweien fehlt einen Nerv. Und die sagen, oh, ich fand's nicht so schlimm. Hat ja nicht wehgetan. Der Nerv war ja auch weg. Also es ist sehr, sehr unterschiedlich. Aber spätestens, wenn die Hand, wenn die Haut offen ist und man aktiv blutet, wenn man irgendwas nicht mehr gut bewegen kann und wenn der Rausch verflogen ist und es immer noch doll wehtut, dann sind das alles gute Gründe, sich bei Handexperten vorzustellen.

SPEAKER_02:

Und wie schätzt du das ein, wenn so eine zirkumpflierende Verbrennung ist? Also wenn irgendwie der ganze Finger betroffen ist oder wenn irgendeine Verbrennung um den Finger herum geht?

SPEAKER_01:

Ja, das sollte man zumindest einmal abklären lassen, weil da gibt es ja theoretisch die Möglichkeit, ein thermisches Compartment-Syndrom da dran zu entwickeln. Und das ist dann schon auch ein handchirurgischer Notfall. Das sind aber relativ seltene Verletzungen. Also eine isolierte Compartmentspaltung an einem einzelverbrannten Finger, das habe ich in 15 Jahren, glaube ich, ein einziges Mal gemacht. Aber ja, wenn der Finger von allen Seiten verbrannt ist und sich schlecht bewegt, dann muss der Finger von einem Arzt gesehen werden. Und dann würde ich auch nicht warten, bis man ausgenüchtert ist. Das ist dann schon relativ dringend, weil der Finger ansonsten innerhalb weniger Stunden seine Funktion für immer verloren hat.

SPEAKER_02:

Gibt es noch irgendetwas, was du den Zuhörern noch mit auf den Weg geben möchtest?

SPEAKER_01:

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, wenn man Feuerwerk zündet, was ich total verstehen kann, das habe ich als Kind und Jugendlicher auch wahnsinnig viel gemacht, dass man das so macht, wie es auf der Anleitung steht. Dass man seine Mutproben in einen anderen Lebensbereich verlegt. Weil die Konsequenzen mit den Sprengverletzungen sind einfach lebenslang. Das lohnt sich wirklich nicht, wenn man darüber seine Ideen für die Zukunft verändern muss. Und das ist schneller passiert, als man denken kann.

SPEAKER_02:

Gut, ich glaube, das ist eigentlich eine sehr gute Zusammenfassung. Als Orthopäden, Unfürschirurgen, Handschirurgen sehen wir natürlich diese Böllerei immer sehr, sehr kritisch und uns ist durchaus bewusst, was es für weitreichende Konsequenzen haben kann. Deswegen haben wir auch diesen Podcast einmal zu dem Thema gemacht. Aber das ist nicht das Einzige, was wir tun. Es gibt doch von großen Berufsverbänden und auch Gesellschaften gibt es eine Awareness-Kampagne, die Sie in den nächsten Wochen sehen werden, möglicherweise, die auf verschiedenen Social-Media-Kanälen publik gemacht werden. Wir werden das hier unten im Podcast mit verlinken. Und wir hoffen, dass Sie einfach weiter diesen Podcast empfehlen, dass Sie rausgehen, dass Sie das Feuerwerk kritisch sehen, dass Sie aufpassen, dass keine Verletzungen passieren. Erstens mal freuen sich die Kollegen, die nachts Nachtdienst haben und vielleicht nicht ganz so viele Hände zusammennehmen müssen. Aber ich glaube, es ist auch für die Patienten und die Betroffenen und die Familien auch jeweils sinnvoll, wenn man die Nacht ohne Verletzung übersteht. Wir danken Ihnen fürs Zuhören. Lieber Adrian, danke für deine Expertise. Und wir freuen uns, wenn Zuhörer wieder zuschalten. Wir bedanken uns bei der Technik und der Unterstützung des Berufsverbandes für Autobe und for Shibi. Und in Hamburg sagt man,