OrthoCast - Der Orthinform Podcast
Neuigkeiten aus Orthopädie und Unfallchirurgie:
Podcasts mit renommierten Expertinnen und Experten.
OrthoCast - Der Orthinform Podcast
Ergonomie im Homeoffice: Professor Grifka über schmerzfreies Arbeiten zu Hause
Dein Rücken erzählt die Wahrheit, lange bevor du sie hören willst.
Gemeinsam mit Professor Joachim Grifka – ehemaliger Direktor der Orthopädischen Uniklinik Regensburg und Leiter der Forschungsstelle Orthopädie und Ergonomie – gehen wir Schritt für Schritt durch ein Homeoffice-Setup, das wirklich trägt.
Keine teuren Wunderstühle, sondern präzise Hebel: Dreiebenen-Modell, richtige Sitzneigung, Sitztiefe, Armstützen auf Höhe, ein Monitor, der den Kopf leicht nach unten führt, und eine Bildschirmbrille, die das Nackenüberstrecken beendet.
Wir zeigen, wie du RSI an der Wurzel packst, indem der Ellbogen höher als die Hand liegt und die Unterarmstrecker entlastet werden.
Dazu kommen sofort umsetzbare Mikro-Übungen für's Homeoffice: Schwebesitz für den Schultergürtel, Gegendrücke unter der Sitzfläche, gezielte Dehnungen der Unterarme mit einer Wasserflasche, weites Armkreisen und kurze Augenpausen.
Stehen wirkt erst mit Thekenhaltung richtig: Unterarme abstützen, ein Fuß höher – so richtet sich das Becken auf und das Hohlkreuz weicht. Für Eltern spannend: „Kluges Lümmeln“ hilft Kindern beim Zuhören, während konzentrierte Schreibphasen aufrecht stattfinden.
Bewegung ist kein Bonus, sie ist das Systemupdate.
Wir sprechen offen über die Lücke zwischen Bürostandards und Homeoffice-Realität, warum Arbeitgeber Kosten sparen, aber selten in die häusliche Verhältnisprävention investieren, und wie Eigenkompetenz das kompensiert.
Außerdem blicken wir über den Schreibtischrand: weshalb Autositz und Gaming-Chair andere Regeln haben und was das kommende Regensburger Symposium dazu vereint. Am Ende hast du eine klare Checkliste, spürbare Entlastungsideen und das Wissen, deinen Arbeitsplatz laufend zu verfeinern.
Wenn dir diese Folge hilft, richte heute noch deinen Platz neu ein, speichere sie, teile sie mit Kolleginnen und Kollegen und gib uns eine Bewertung. Welche eine Änderung merkst du zuerst?
Music under CC License:
Artist: Jahzzar, Track: Blueprint (License: CC BY-SA 4.0 DEED)
Artist: Breuss Arrizabalaga Quintet, Track: Mount Fuji (License: CC PD)
Was betrifft Sie alle zu Hause, wenn Sie im Homeoffice arbeiten? Seit Corona betrifft es ganz, ganz viele, und darum geht heute unsere Sendung. Mein Name ist Katharina Döpfer.
Speaker 2:Mein Name ist Robert Udeck.
Speaker 1:Und Robert, ich glaube, heute haben wir den aktivsten Podcast, den wir bisher gemacht haben, denn heute müssen unsere Zuschauer alle mitarbeiten.
Speaker 2:Das denke ich auch. Es geht nämlich um Ergonomie und Orthopädie im Homeoffice, und heute haben wir den ehemaligen Direktor der Orthopädischen Uniklinik Regensburg bei uns, und zwar niemand Geringeres als Professor Joachim Griffka ist bei uns, und seit 2024 ist er übrigens Leiter der Forschungsstelle Orthopädie und Ergonomie der Ostbayerischen Technischen Hochschule, auch in Regensburg, und er ist Autor des Patientenratgebers Gesund in Homeoffice und Büro, der übrigens auch vom Berufsverband Orthopädie und Unfallchirurgie empfohlen wird. Herr Professor Griffka, was war der Anlass, dieses Buch zu?
Speaker 3:schreiben. Ja, herr Rudek, die Covid-Zeit hat einiges geändert, in zweierlei Hinsicht bei mir. Zum einen hatten wir als operativ tätige Orthopäden, als Leiter einer orthopädischen Uniklinik, sehr viel Zeit mehr, als wir sonst hatten, und wir hatten zugleich Patienten mit vielen Beschwerden, die sitzbedingt waren, durch ungünstige Sitzhaltungen, vor allem im Hals-Nacken-Bereich, also mit den Ausschreitungen, so bei der üblichen Schreibtischtätigkeit. Und da wir viel Zeit hatten das ist das Zweite war es für mich der Ansatz, die Patientenratgeber einmal zu überarbeiten und zugleich auch einen neuen Ratgeber zu verfassen gesund in Homeoffice und Büro.
Speaker 1:Professor Giffka, warum?
Speaker 3:ist denn das Sitzen so wichtig bzw warum ist das Arbeiten zu Hause? was hat sich denn da geändert in Corona, und warum war das mit dem Sitzen zu Hause so schwierig? Ja, wir sind ja in der Arbeitsstätte gewohnt, dass wir einen Platz haben, der ergonomisch gestaltet ist, der arbeitsmedizinisch überwacht ist, es gilt die Arbeitsstättenverordnung, also viele Dinge, die dafür sorgen, dass wir gute Arbeitsbedingungen haben. Zu Hause arrangiert man sich. Zunächst haben ja die wenigsten ein eigenes Arbeitszimmer, das ist ja auch schon eine Preisfrage. Also, man muss irgendwie versuchen, in Küche oder Wohnzimmer zur Hand zu kommen.
Speaker 3:Ja, in einem bequemen Bereich, vielleicht im Wohnzimmer oder auch in der Küche, wo es dann ungemütlicher ist. Ich habe schon Patienten gehabt, die mir sagten, die waren ganz stolz, sie arbeiten auch im Stehen, sie nehmen das Möbelbrett, aber das sind natürlich alles keine Bedingungen, um zu arbeiten. Man arrangiert sich in irgendeiner Weise, und das führt natürlich dazu, dass man vermehrt vor allem Schulter-Nacken-Beschwerden bekommt. Wir hatten in dieser Covid-Zeit etwa 30 Prozent mehr Patienten mit Halswirbelsäulen-Beschwerden in der Hochschulambulanz als sonst.
Speaker 2:Können Sie vielleicht nochmal erläutern wie sehen denn so die typischen Beschwerden aus?
Speaker 3:Also der klassische Homeoffice-Patient, der zu Ihnen in die Klinik kommt. Was klagt der? Ja, die Beschwerden sind klassisch eben im Nackenbereich als Verspannung so wird es ja oft angesehen zum Teil ausstrahlend in die Arme oder auch bis zum Handbereich. Orthopädisch können wir das natürlich ganz unterschiedlich differenzieren und einordnen. Es sind ja manches Mal mehr als nur Verspannungen. Verspannungen kann jeder haben, einfach durch dieses lange konstante Sitzen. Das ist ja etwas sehr Passives. Wir sacken zusammen, uns fehlt die Bewegung, die wir brauchen, die muskuläre Aktivität, und entsprechend verfallen wir ja so in einen Rundrücken, die typische Schreibtisch-Schrimps-Haltung, also nach vorne geneigt. Konsequenz, wenn man nach vorne mit dem Oberkörper geneigt ist man muss den Kopf mehr anheben, um dann auf den Tisch zu schauen oder gar auf den Bildschirm zu schauen, und das führt dazu, dass die Halswirbelsäule in einer vermehrten Hohlwölbung ist. Das bedeutet zugleich Einengung der Austrittspunkte für die Nerven, die bis in die Arme und in die Finger strahlen, und das sind dann ganz wesentliche Beschwerden, also die, die durch Nervenheizungen entstehen.
Speaker 3:Also mehr als nur Muskelverspannungen. Es gibt aber auch viele andere Dinge, Einige allgemeine Dinge also richtig in die Tasten hauen musste. Jetzt müssen wir das nicht mehr. Jetzt ist es so, dass wir die Hände eigentlich nur noch auf der Tastatur ruhen haben und mit leichten Bewegungen die Tasten erreichen, ohne Kraft auszuüben. Aber kritisch ist, in welcher Position das geschieht. Und sobald der Unterarm so eingestellt ist, dass die Hände etwas höher sind als der Ellbogen, bedeutet das, wir haben eine vermehrte Anspannung der Muskulatur im Unterarmbereich auf der Oberseite und im Bereich des Handrückens und der Finger, und das ist dieses sogenannte repetitive strain injury. Es muss natürlich alles eine englische Bezeichnung haben, also die Anspannung der Muskulatur, die dann dazu führt, dass man doch anteil der Schmerzen hat und richtige Verkrampfungen zum Teil.
Speaker 1:Und wie lässt sich das jetzt arbeiten am Schreibtischstuhl oder am Tisch ergonomisch verbessern? Also, worauf kommt es an?
Speaker 3:Ja, das sind nun mehrere Dinge, die man beachten muss, wenn wir vielleicht erstmal nur den Stuhl betrachten. Also, es muss nicht der luxuriöse Stuhl sein, der muss nicht jeder bespannt sein, der muss nicht designt sein, der muss einfach zweckmäßig sein. Es gibt so die Vorstellung, stühle müssten eine Lordosestütze haben. Das rührt aus der Ära der 80er Jahre, wo in den PKWs Recaro-Sitze mit so richtig kräftiger Lordosestütze waren und das Becken nach vorne gedrängt wurde. Das ist ergonomisch gesehen etwas relativ Ungünstiges, denn das führt zu einer vermehrten Deckenvorneigung. Deckenvorneigung bedeutet nun wieder, dass ich weniger Platz habe im vorderen Bereich der Hüfte und im Bereich der Lendenwirbelsäule. Hier gibt es das gleiche Phänomen wie in der Halswirbelsäule Durch diese Rohlwölbung gibt es Einengungen an den Nerv und Austrittspunkten, es gibt vermehrten Druck im Bereich der kleinen Wirbelbelenke, und deswegen ist es gar nicht so günstig, eine Laudosestütze zu haben.
Speaker 3:Viel, viel wichtiger ist, dass der Oberkörper von seinem Gewicht her mitgetragen, abgefangen wird, also eine sogenannte Thoraxstütze. Daraus sollte man zum Beispiel achten, wenn es um den Stuhl geht. Ich kann jetzt ganz viel zum Stuhl erzählen. Also, in der Regel kennt man beim Stuhl nur den Hebel auf der rechten Seite. Das ist der Hebel für hoch und runter.
Speaker 3:Es gibt aber in der Regel zwei Hebel auf der linken Seite. Der eine ist für die Neigung der Sitzfläche, und der andere ist für die Position der Sitzfläche nach vorne oder hinten. Auch das hat Relevanz. Also, neigung der Sitzfläche nach vorne bedeutet natürlich, dass wir relativ nach vorne rutschen. Also immer darauf achten, dass man vorne etwa zwei Zentimeter höher hat als hinten. Das ist die beste Sitzposition. Dann ganz wichtig für die Einstellung des Sitzkissens Beim Sitzen sollten Sie etwa eine Handbreitplatz haben zwischen der Kniekehle und dem Sitzkissen, dann ist das auch störungsfrei, ansonsten kann man da zusätzlich noch Probleme haben. Also das zunächst mal zu der Einrichtung des Stuhls, aber jetzt haben wir noch nichts dazu gesagt, wie man auf dem Stuhl sitzen soll. Ich habe schon gesehen, herr Huneck, sie haben gleich eine weitere.
Speaker 2:Frage Ja, ich habe, während Sie das erklärt haben, schon mal hier unter meinen eigenen Stuhl gegriffen und Tatsache Also den Griff rechts, den kenne ich auch, aber nach links habe ich, glaube ich, noch nie so richtig gegriffen, und ich weiß nicht, ob die Zuhörer uns heute auch in ihrem Büro hören. Vielleicht greift jeder mal jetzt unter seinen Stuhl. Ja, was muss ich denn damit machen? Wie muss ich das einstellen, damit es passt?
Speaker 3:Ja, zunächst mal ausprobieren, welcher Hebel für was ist. Der zum Verschieben der Sitzfläche ist der, der am schwierigsten eigentlich zu bedienen ist, wenn man drauf sitzt. Also ein bisschen probieren und dann die richtige Einstellung wählen. Es ist halt auch abhängig, wenn Sie einen Arbeitsplatz haben, der von mir und genutzt wird, da sollte man den Stuhl schon richtig einstellen.
Speaker 2:Wie ist das eigentlich für so einen Arbeitsplatzergonomen? Wer ist dafür eigentlich zuständig? Ist das der Betriebsarzt oder der Arbeitgeber? Wer macht das?
Speaker 3:Also, die gesetzlichen Grundlagen finden sich in der Arbeitsstättenverordnung, und es gibt viele Empfehlungen, wie man beispielsweise den Arbeitsplatz einrichtet. Da sprechen wir ja über die sogenannte Verhältnisprävention, also die Arbeitsmittel, die wir haben. Das überwacht in der Regel der Arbeitsmediziner. Die Vorgaben von der Berufsgenossenschaft müssen entsprechend umgesetzt werden. Viele Betriebe haben auch ein betriebliches Gesundheitsmanagement, also auch noch zusätzlich Kräfte, die sich um so etwas kümmern. Da geht es ja dann auch darum, wie der Entsprechende auf dem Stuhl sitzt. Also lassen wir es schnell sagen Es gibt dieses Dreiebenen-Konzept. Das hat damit zu tun, dass man sicher sitzt und ohne dass man die Gelenke übermäßig gebeugt oder gestreckt hätte. Dreiebenen bedeutet, die Füße sind auf dem Boden, der Oberschenkel sollte etwa horizontal sein, also die Knie etwa in 90 Grad. Dann können Sie die Knie auch bequem nach vorne nehmen, etwas nach hinten nehmen, aber sie sind nicht eingeengt.
Speaker 3:Und die dritte Ebene ist die Schreibtischebene. Die Schreibtischebene hat größte Relevanz. Wir haben gerade schon gesprochen über diese Anstrengung der Unterarmmuskulatur. Man muss darauf achten, dass die Schreibtischfläche die ist üblicherweise so etwa bei 72 cm wenn man einen höhenverstellbaren Tisch hat, kann man sie ja genauer justieren die sollte so sein, dass der Ellbogen etwas höher ist als die Hand. Dann haben Sie die ideale Position, dann haben Sie es richtig eingestellt. Das ist erstmal so.
Speaker 3:Die Einstellung des Stuhles in drei Ebenen Die Armstützen, wenn Sie Armstützen auf Stuhl haben die meisten haben das ja. Die Armstützen, wenn Sie Armstützen auf Stuhl haben die meisten haben das ja richten Sie die ruhig so ein, dass Sie den Unterarm bequem ablegen können. Also, in der Regel sind die Armstützen so, dass der Stuhl gut unter dem Tisch geschoben werden kann, also eigentlich etwas zu niedrig. Wer es richtig haben will, der macht die ruhig höher. Aber es muss natürlich bequem sein, es muss auch für den Anwender entsprechend passen.
Speaker 3:Das nächste, wenn man das gleich fortführen will, ist die Einrichtung des Bildschirms. Wir haben ja im Dienstleistungsbereich durchgehende Bildschirmarbeit, aber insgesamt in Deutschland haben wir an 70% der Arbeitsplätze Bildschirme. Also das ist das, was man grundsätzlich beachten sollte, wo sehr viele Probleme auftreten können. Wenn man das googelt, findet man höchst unterschiedliche Angaben. Oft, wenn es ein großer Bildschirm ist, dann mag das ausreichen. Man sollte darauf achten, dass der Mittelpunkt des Bildschirms so eingestellt ist, dass man den Kopf immer leicht nach unten geneigt hat. Das streckt die Halswirbelsäule. Gleichzeitiges Aufrichten der Schulter, kopf leicht nach unten ist die beste orthopädische Position, um damit arbeiten zu können. Also nicht den Bildschirm hochstellen, schon mal gar nicht auf den Rechner stellen, wenn man so einen Sandwich-Rechner hat, sondern den Bildschirm möglichst niedrig einstellen. Nächstes Brille Wer eine Gleitsichtbrille hat, darf die natürlich nicht am Bildschirm benutzen, denn ansonsten kommt er ja wieder in die Verlegenheit, dass er im.
Speaker 3:Nahbereich sehen muss und also überstreckt den Kopf, hat diese Kopf-in-Nacken-Position und hat wieder seine Beschwerden. Also entsprechend eine Bildschirmbrille, die man dafür nutzt. Der Bildschirm sollte immer geradeaus stehen, nicht schräg stehen. Auch das ist manchmal ein Problem, nach dem Motto ich muss ja vielleicht noch arbeiten, was anderes sehen, und dann ist der Bildschirm immer schräg. Also auch darauf achten, dass es gerade ist. Gerade bei den Mischarbeitsplätzen hat das eine hohe Relevanz, und dann wird es so sein, dass man im Wechsel natürlich Papier und Bleistift braucht und den Rechner mit Tastatur.
Speaker 2:Katharina, ich habe die ganze Zeit auch versucht, das alles hier bei mir auf dem Schreibtisch hinzukriegen. Bei dir ist bestimmt alles perfekt, aber wie siehst du das?
Speaker 1:Ja, genau das ist das, was wir uns, glaube ich, fragen müssen Wie fängt man denn am besten an, zu Hause das einzurichten? Können Sie uns so eine Checkliste oder einen Leitfaden mal geben? Also sozusagen was muss man selber zu Hause bei dem Arbeitsplatz alles berücksichtigen? Sie haben schon vieles genannt, aber vielleicht einmal so wie fängt man denn damit an? Also, was ist so das wichtigste? Stuhl, Bildschirm, gibt es da irgendwie eine Positionierungshilfe, Eine Positionierungshilfe?
Speaker 3:Ja. Also darauf achten, dass man diese drei Ebenen einhält, dann hat man schon viel gewonnen. Und dann die Höhe des Schreibtisches und die Einstellung des Bildschirms. Da haben Sie schon ganz Grundsätzliches, und in der Regel, ohne dass Sie dafür neues Inventar brauchen.
Speaker 1:Das ist doch eine wunderbare Information. Wie ist denn das eigentlich? Ich bin ja auch Kinderorthopädin, Deswegen sind natürlich die Kinder immer so meine besondere Herzensangelegenheit. Die sitzen ja auch ewig in der Schule. Ist denn das ergonomisch ausgerichtet? beziehungsweise auch zu Hause am Schreibtisch? Was gibt es denn da zu beachten?
Speaker 3:Ja, das ist ein Problem, dass wir eine solche Sitzgesellschaft sind und unsere Kinder schon sehr, sehr früh anhalten, ruhig zu sitzen. Das ist für das Kind ja völlig unnatürlich. Das geht ja schon los, dass sie im Kindergarten lernen müssen, ruhig zu sitzen, damit sie dann in die Schule kommen. In der Schule ist es so, dass wir bei Kindern unterschiedlicher Größe, wenn man so einen Jahrgang sieht, dasselbe, wo wir Jahr haben, weil es einfach am bequemsten ist, am besten passt. Dieses stille Sitzen ist das Schlechteste. Kinder sind aktiv, und ich sage immer, Lümmeln ist gesund. Man sollte es so einrichten, dass man diese Strenge sitzen, dieses gerade Sitzen, auch wirklich nur dann hat, wenn man es braucht. Also sprich, wenn man tatsächlich etwas macht, am Schreibtisch malt, schreibt, irgendetwas so machen muss.
Speaker 3:Bei allem anderen es gibt ja sehr viele Phasen hinter Zuhören sollten die lümmeln. Man kann auch den Stuhl mal komplett umdrehen und sich so mit dem Brustkorb nach vorne auf die Lele abstützen oder auf den Tisch abstützen. Gerade zuhören ist etwas, was man sehr gut auch in einer entspannten Position machen kann. Ich halte es für ganz ungünstig, dass die Kinder angehalten werden, viel ruhig zu sitzen. Die müssen sich bewegen können, und wir haben ja schon sehr viel Belastung für die Kinder. Die sitzen ja ständig ruhig. Im Auto sind sie natürlich angeschnallt, weil das muss ja sicher sein, ist ja auch selbstverständlich zu Hause sitzen so ruhig, weil sie auch wieder irgendwas an einem Bildschirm machen, oder ein.
Speaker 3:Handy in der Hand haben. Also es gibt so viel, wo wir unnötiges Sitzen haben und deswegen dieser Spruch sitzen macht krank, oder wer länger sitzt, ist früher tot, das ist dann ganz drastisch. Das sind schon Sprüche, die nicht so falsch sind. Wir müssen uns bewegen können, wir brauchen Bewegungspausen. Bei Kindern haben wir das umgesetzt mit Rückenfit. Unsere Schule macht mit mit einem ganzen Bewegungsprogramm, was im Unterricht gemacht werden kann, nicht nur als Bewegungspause, sondern das ist etwas Typisches, was man macht so vor der Pubertät, also möglichst so 4. Klasse, 5. Klasse, gerade im Übergang, wo das in Natur und Technik umgesetzt wird, um Verständnis zu haben, die sogenannte Gesundheitskompetenz, die wir ja immer vermitteln möchten, damit man es schon gleich weiß, wie es richtig geht. Und damit man es richtig macht, wird das im Sportunterricht nicht nur in der Form, dass man jetzt ein Zirkeltraining hat oder irgendetwas anderes, sondern es wird eine Rücken-Olympiade gemacht, und das macht den Kindern auch Spaß.
Speaker 3:Die haben Übungen, die trainieren etwas, was sie selbst anwenden können, und die spielen dann auch, wie die Psychologen sagen, das dritte Auge. Also die sagen es dann auch den Erwachsenen, wie man es besser machen kann, und am Ende von dem Ganzen bekommt sie dann in unserem Kurssystem ein Rückenzertifikat. Ja, also, das ist das, worauf die natürlich dann auch stolz sind und wo wir darauf hoffen dürfen, dass die wissen, wie sie sich richtig verhalten, und das so verinnerlichen, dass sie auch in Zukunft als Erwachsene einen besseren Start ins Berufsleben haben, und insbesondere am Schreibtisch fit sind.
Speaker 2:Wenn wir uns jetzt so den typischen Homeoffice-Arbeiter vorstellen, kann der denn auch lümmeln? oder sollte der am Schreibtisch lümmeln wie die Kinder in der Schule?
Speaker 3:Also im Homeoffice haben wir natürlich zunächst mal das Problem, dass wir nicht die Ausstattung haben, wie wir es am Arbeitsplatz haben. Es gibt viele Möglichkeiten, das einzurichten. Wir selbst sind auch auf dem Weg dazu. Es wird ein sogenanntes MP-Host eben mein Personal Host, also eine kleine Einheit, die man auch unterbringen kann, um einen vernünftigen Schreibplatz zu haben sein. Wir sollten eine Höhenverstellung haben. Gut ist, wenn man auch steht.
Speaker 3:Beim Stehen sage ich immer, es ist nicht nur der höhenverstellbare Schreibtisch, es kann auch ein Stehpuls sein. Und beim Stehen gibt es noch etwas, was man beachten sollte die sogenannte Thekenhaltung. Was ist die Thekenhaltung? Die Thekenhaltung ist eine bequeme Haltung, in der man sich abstürzt mit den Armen auf der Platte und gleichzeitig einen Fuß höher stellt. Nämlich, die Theken haben ja im unteren Bereich dann noch so eine ich sage mal Abstützmöglichkeit für den Fuß. Und warum das? Wenn wir stehen auf zwei Beinen, dann haben wir immer die Tendenz, dass wir ins Hohlkreuz sacken, entweder, weil wir müde sind von der Muskulatur, oder weil wir Verkürzungen haben im vorderen Bereich der Hüftmuskulatur.
Speaker 3:Und wenn man ein Bein hochnimmt, dann ist das Becken besser ausgerichtet. Das kann man selbst heputasten, indem man mal die Hand in die Lendenwirbelsäule legt und dann mit beiden Beinen gerade steht und merkt, wie man diese Hohlwölbung vermehrt hat und ein Bein hochnimmt und sich so hinstellt mit Abstützung, und die Wirbelsäule dabei gerader ist, also dass Sie Theken halten, und das kann man ja auch machen, wenn man telefoniert oder etwas im Stehen schreibt. Es ist also nicht nur der Schreibtisch, der höhenverstellbar ist, der alleine ist es nicht, sondern es ist zusätzlich, dass man dann auch diese Funktion übernimmt des Abstützens mit dem Fuß, mit dem Oberkörper.
Speaker 1:Jetzt haben Sie schon ein paar Übungen erwähnt. Sie haben ja auch in Ihrem Ratgeber, und in Ihrem Buch haben Sie auch Übungen. Können Sie da vielleicht nochmal ein paar mehr erzählen?
Speaker 3:Ja, da gibt es eine ganze Reihe von Übungen. Das Prinzip ist ja immer Muskelkräftigen, muskeldehnen, gelenke mobilisieren und Entspannen. Das Entspannen im orthopädischen Bereich ist natürlich so typisch Aufdehnen der Muskulatur und dann nachlassen dieser Spannung, also wieder ganz gelockert sein Beweglichkeit, beispielsweise Arme kreisen. Dann gibt es spezielle Übungen, die wir natürlich auch getestet haben und evaluiert haben, wie man Anspannung aufbaut, beispielsweise am Sitzkissen Beide Hände unter das Sitzkissen am Stuhl und sich nach unten anpressen und umgekehrt, beide Hände, handflächen auf die Oberseite der Sitzfläche und sich abstützen, also so einen Schwebesitz durchführen.
Speaker 3:Die Dehnung in dem Bereich der Muskulatur im Unterarmbereich durch Überstrecken, durch weites Beugen. Das kann man ganz günstig kombinieren mit einer leeren Wasserflasche oder auch mit einer gefüllten Flasche, je nachdem, wie das Gewicht sein soll, um zum Beispiel im Handgelenk aufzudehnen, nach Handrückenwärts oder entsprechend in die Hohlandrichtung. Also da gibt es sehr vieles. Und dann haben haben wir natürlich Entspannungsübungen, auch dafür die Augen aufgenommen. Das ist auch ganz wichtig. Das alles finden Sie natürlich in dem Ratgeber, wo man dann Videos dazu hat, also eine praktische Anleitung, denn das nur zu sagen oder zu beschreiben, ist das eine, aber das zu sehen und dann nach dieser Anleitung nachzumachen, ist wesentlich einfacher. Ja, das kann ich mir gut vorstellen.
Speaker 1:Wir verlinken das hier zu dem Podcast.
Speaker 2:Das machen wir auf jeden Fall, und ich fand die Beschreibung jetzt auch richtig gut. Ich kann mir gut vorstellen, dass jeder, der uns jetzt gerade hört, vielleicht heute gleich anfängt mit ein paar dieser Übungen. Also sich mal hochdrücken oder in den Schwebesitz gehen, das macht ja absolut Sinn.
Speaker 3:Wie ist das, wenn man jetzt den Arbeitsplatz im Büro, also im großen Gebäude des Arbeitgebers, vergleicht mit dem Homeoffice? Vorhin hatten wir sowas mit Arbeitsstättenverordnung. Ist die denn genauso gültig? auch für das Homeoffice haben wir natürlich ganz viele Defizite. Zunächst mal darf man sagen, dass das Homeoffice etwas ist, was natürlich Vorteile für beide Seiten bringt, also für den Arbeitnehmer natürlich, weil er Fahrzeit spart, zeit, die er auch entsprechend persönlich für die Familie nutzen kann. Es ist auch für uns, wenn man das allgemeingesellschaftlich sieht, natürlich ein ökologischer Vorteil, dass weniger Leute auf der Straße sind. Für den Arbeitgeber hat es den Vorteil, dass sehr vieles an Betriebskosten entfällt. Man denkt oft nur an die Bürokapazität. Das ist immer nur das eine. Es ist natürlich auch der Unterhalt. Das geht vom Hausmeister über Sicherheitspersonal, dann Sanitäreinrichtungen, natürlich Reinigung, beleuchtung, also was man sich alles so vorstellt. Und wir wissen, bei 50% Homeoffice-Leistung spart der Arbeitgeber 25-30% der Gesamtkosten.
Speaker 3:Natürlich wird vom Arbeitgeber immer investiert in die IT-Sicherheit. Er hat aber keine Verpflichtung zu investieren, genau in diese Verhältnisprävention der Ausstattung. Manche machen es. Ist es auch wirklich sinnvoll? Das sollte man sich eigentlich wünschen, dass man die Differenz dann auch dafür ausgibt. Eine Vorschrift dafür gibt es nicht. Arbeitsstättenverordnung gilt nicht für den häuslichen Bereich. Es gibt andere Bereiche. Da ist das auch gültig, wenn man andere Arbeitsbelastungen hat oder mobiles Office hat, aber nicht in dem Homeoffice. Da hat sich das eben völlig gewandelt. Früher war es ja so my home is my castle, und das war dieses private abgeschirmte. Heute ist es my home is my office. Das ist eben einfach festgestellt. Dass jeder vierte Arbeitnehmer partiell Homeoffice macht, und wir haben bei den akademischen Bereichen 1,4 Arbeitstage pro Woche in Homeoffice. Das ist schon ein relativ oberer Bereich. Es gibt nur Länder mit anderen strukturellen Bedingungen, wie beispielsweise Kanada ist es noch höher. Die haben 1,9 Tage pro Woche.
Speaker 1:Das ist auch spannend, das einmal so zu hören. Professor Giffey, jetzt haben Sie so viel Forschung und so viel schon erzählt. Gibt es denn noch irgendwelche Dinge, wo Sie weiter dran forschen oder was da zu erwarten ist?
Speaker 3:Ja, wenn man damit befasst ist, mit Sitzen, dann betrifft das natürlich alle Bereiche. Ein ganz anderer Bereich ist ja Sitzen im Fahrzeug, während wir beim Sitzen auf dem Stuhl natürlich darauf achten, dass wir Bewegung haben, also aktiv sind. Es sollte so sein, dass die Stuhlfläche sich vielleicht auch ein bisschen neigt. Wir haben dazu Untersuchungen gemacht, dass man auch so die muskuläre Aktivität anregen kann, also nicht nur so adynam sitzt. Wenn wir im Fahrzeug unterwegs sind, ist die Situation eine komplett andere. Deswegen darf man das auch nicht verwechseln.
Speaker 3:Im Fahrzeug ist es ja so, da bewegt sich um uns herum alles, das heißt, der Oberkörper sollte starr sein, sich nicht bewegen. Wir müssen eine sichere Position haben, um mit dieser schnell an uns vorbeirauschenden Umgebung gut zurecht zu kommen und zu reagieren. Das ist im Auto schon eine Herausforderung. Noch viel, viel mehr ist das, wenn man an das Flugzeug denkt. So ein Eurofighter-Pilot, der hat ganz andere Dinge zu erledigen, während er absolut stramm sitzt, auch einiges gemacht habe. Und genau das Gegenteil davon ist der Gaming-Share. Der Gaming-Share ist ja so der neue Chefsessel, da kann man alles kriegen mit der teuersten Ausführung. Das sind ja die, die selbst ganz stark reagieren müssen und hoch konzentriert sind und den bequemsten Stuhl brauchen, den man sich vorstellen kann, auch fast in so einer Liegeposition sind, und weil das so ein spannendes Thema ist und das ist ja die Schnittstelle zwischen Arbeitsmedizin, orthopädie, ergonomie, technikern, möbelherstellern haben wir dazu ein Symposium, was wir im September, am 18. Und 19. September, bei uns an der UTH in Regensburg machen werden, um genau diese Bereiche einmal ganz grundlegend abzudecken.
Speaker 1:Das klingt ja total faszinierend. Soweit hat man natürlich noch gar nicht gedacht, was diese Corona-Pandemie mit sich bringt, dass wir auf einmal all diese Dinge hinterfragen. Also insofern, das klingt wahnsinnig spannend. Danke für den Hinweis. Wir werden das hier mit dem Podcast auch verlinken und darauf hinweisen.
Speaker 2:Wir bedanken uns sehr. Das war ein umfassender Bericht. Also ich glaube, wir haben noch nie so viel in einem Podcast an unseren eigenen Stühlen rumgestellt und High-End-Forschung gemacht wird, und die Arbeitsmedizin ist ja in unserem Fachbereich oft auch so ein bisschen stiefmütterlich behandelt. Wie sind Sie denn zur Arbeitsmedizin gekommen? Wie kam das dazu, dass Sie das in dieser Expertise beherrschen, und was hat Sie daran so?
Speaker 3:fasziniert. Also, das hat sich bei mir schon während des Studiums entwickelt. Insofern war immer die Tendenz da, das zu machen, und hat sich dann ganz normal parallel auch weiterentwickelt. Arbeitsmediziner sind in der Regel Internisten, denn früher ging es ja sehr viel um Gefahrenstoffe und weniger Orthopäden, und wir als Orthopäden haben ja nun einiges, was auch wichtig ist für Arbeitsmediziner und für Hausärzte. Deswegen war das immer so ein Bereich, den ich gerne mit abgedeckt habe und um den ich mich gekümmert habe. Und wenn man das macht, kommt man automatisch zur Ergologie, und ich glaube, als Orthopäden haben wir alle diese Grundlagen. Wir sind ja von dem Fach her präventiv ausgerichtet. Das wird manchmal nicht ganz so gelebt, aber das ist ja unsere primäre Aufgabe, und Sie in den Praxen haben das ja ganz besonders. Da geht es ja darum, was kann ich tun, um Probleme, erkrankungen zu vermeiden? Und das ist der eigentliche Ansatz dafür.
Speaker 2:Also herzlichen Dank für die tolle Sendung, und wir möchten uns natürlich ganz herzlich bedanken. bei der Geschäftsstelle Frau Planert und Jörg Ansorg Herz bedanken bei der Geschäftsstelle Frau Planert und Jörg Ansorg.
Speaker 1:Herzlichen Dank für die tolle Unterstützung. Wir bedanken uns auch bei unseren Zuhörern natürlich, und wünschen Ihnen immer eine Handbreit Wasser unterm Kehl und ein gutes Dreiebenenmodell beim Sitzen auf dem Stuhl.
Speaker 2:Genau, ja, also wie war das Tisch? Tischbeine Ich habe immer noch die Hebel, ich glaube, ich muss die He. Geholfen heute, katharina, das war richtig super. Ich stelle gleich alles um und mache es mal endlich richtig.
Speaker 1:Wir wünschen Ihnen noch ein weiteres schönes Zuhören und freuen uns, wenn Sie beim nächsten Mal wieder zuhören. Bis auf bald.
Speaker 2:Und in Hamburg sagt man Katharina, sagt man Tschüss.
Speaker 1:Musik.