OrthoCast - Der Orthinform Podcast

Von Einlagen bis Maßschuhen: Die Kunst der technischen Orthopädie (Prof. Bernhard Greitemann)

Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) Season 2 Episode 3

Wenn die Füße schmerzen, lautet die Standardempfehlung oft: "Geh zum Orthopäden, der verschreibt dir sowieso eine Einlage." Doch das medizinische Spektrum der technischen Orthopädie bietet weitaus mehr als nur die klassische Einlage – ein faszinierendes Feld, das Prof. Bernhard Greitemann als ärztlicher Direktor und Chefarzt für Orthopädie in der Klinik Münsterland Bad Rotenfelde täglich erlebt.

Was unterscheidet eine medizinische Einlage von Produkten aus dem Schuhgeschäft? Welche Arten gibt es und für welche Beschwerden sind sie geeignet? Prof. Greitemann erklärt den Unterschied zwischen stützenden, bettenden und aktivierenden Einlagen und welche Patientengruppen davon profitieren. Von der gründlichen Diagnostik bis zur individuellen Anpassung – die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln ist eine echte Teamarbeit zwischen Arzt, Orthopädie-Schuhtechniker und Patient.

Wenn Einlagen allein nicht ausreichen, eröffnet sich eine ganze Welt orthopädischer Möglichkeiten: Schuhzurichtungen am Konfektionsschuh helfen bei spezifischen Problemen, Spezialschuhe bieten mehr Raum für empfindliche Füße, und orthopädische Maßschuhe – längst nicht mehr die "schwarzen Klötze" von früher – können individuell an jede Fußform angepasst werden. Die gute Nachricht: Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten, Patienten zahlen nur einen überschaubaren Eigenanteil.

Vorsicht gilt bei vermeintlich einfachen Lösungen: Eine per App oder Foto bestellte Einlage ohne individuelle Anpassung kann keine medizinische Wirkung entfalten. Eine wichtige Erkenntnis zum Schluss: "Eine Einlage, die nicht getragen wird, kann auch nichts nützen." Erfahren Sie, wie Sie das Maximum aus Ihrer orthopädischen Versorgung herausholen und welche Entwicklungen die Zukunft dieser faszinierenden Disziplin prägen werden. 

Music under CC License:
Artist: Jahzzar, Track: Blueprint (License: CC BY-SA 4.0 DEED)
Artist: Breuss Arrizabalaga Quintet, Track: Mount Fuji (License: CC PD)

Dr. Robert Hudek:

So, dann möchte ich alle herzlich willkommen heißen zur nächsten Sendung von ORT-INFORM, der Informationsplattform für Orthopädie und Unfallchirurgie. Und wir senden mal wieder aus der wunderschönen Stadt im Norden, hamburg, hamburg. Genau, katharina Döpfer ist hier, und mein Name ist Robert Hudeck, und wir haben gemeinsam Herrn Prof Bernhard Reitemann bei uns, und er ist ärztlicher Direktor und Chefarzt für Orthopädie in der Klinik Münsterland in Bad Rotenfelde, und er ist ausgewiesener Experte für technische Orthopädie Münsterland in Bad Rotenfelde, und er ist ausgewiesener Experte für technische Orthopädie. Und technische Orthopädie hat vor allem, was mit Einlagen und Schuhen und Orthesenversorgung zu tun. Und Katharina, ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich meine, wir als Orthopäden haben ja auch immer wieder mal was damit zu tun. Und häufig, wenn man über Orthopäden spricht, dann sagt man ja, naja, gehst zum Orthopäden, der verschreibt dir sowieso irgendeine Einlage. Und die Frage wäre, herr Professor Greitemann, gibt es denn tatsächlich nur Einlagen? Was gibt es denn alles? Schuhe, konfektionsschuhe, maßschuhe haben wir schon mal gehört, was gibt es?

Prof. Bernhard Greitemann:

da für verschiedene Sachen, und warum verschreibt man die so gerne? Hallo Frau Döpfer, hallo Herr Rudek. Ja, einlagen sind nicht alles, sondern natürlich haben wir verschiedene Möglichkeiten, fußbeschwerden oder auch Beschwerden am Knie oder an der Wirbelsäule zu adressieren. Das geht mit Einlagen, das geht mit Schuhzurichtungen am Konfektionsschuh, dann gibt es Spezialschuhe, dann gibt es den Maßschuh. Und die Frage ist gut, warum gibt es das so häufig in Deutschland? Das liegt erkennbar daran, dass wir in Deutschland traditionell seit Urzeiten ein orthopädie schuhtechnisches Handwerk haben. Das haben auch die Österreicher und die Schweizer, das haben aber viele englischsprachige Länder nicht, und dementsprechend ist bei uns die Tradition da gewachsen und vor allem auch die Spezialisierung mit einer wirklich gut nutzbaren Unterstützung durch das Handwerk.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Und wie sieht das jetzt aus? Also fangen wir doch einfach mal so bei denen, dass man am häufigsten sieht, hört, was wir natürlich auch häufiger aufschreiben, mit den orthopädischen Einlagen. Mit den orthopädischen Einlagen Wie sind die aufgebaut, warum ist es wichtig, warum sind die anders als die Einlagen, die man im Schulladen kriegt, und für was braucht man die denn?

Prof. Bernhard Greitemann:

Ja, das ist eine gute und spannende Frage. Zunächst muss man sagen, die Einlagen, das sind erstmal funktionelle Hilfsmittel, die ich bei allen möglichen Beschwerden nutzen kann, und die orthopädischen Einlagen oder medizinischen Einlagen, das sind eben Hilfsmittel, die individuell speziell für die Bedürfnisse dieses einen Patienten angepasst sind Fuß ein bisschen besser zu betten, also den zu polstern, oder dann gibt es natürlich auch Fußbettungseinlagen, die im Prinzip den Geruch im Schuh minimieren sollen, und Ähnliches So mit Carbon-Materialien, kohlefasermaterialien. Das unterscheidet man aber eben von den medizinischen Einlagen. Die werden individuell erstellt für einen Patienten mit einem ganz besonderen Ziel.

Dr. Robert Hudek:

Das heißt, der Orthopädie-Schutechniker muss sich da auch klar Gedanken machen, was er eigentlich damit erreichen will, was wäre denn so das ideale Ziel für eine medizinische Einlage?

Prof. Bernhard Greitemann:

Bei den Zielen gibt es traditionell verschiedene. Sie können erstmal beispielsweise den Fuß in seiner Längs und Querwölbung stützen. Das ist somit die häufigst verordnete Einlage. Ich sage mal so der VW Käfer der Einlagen, dann haben Sie ein bisschen einen Senkfuß oder einen Spreizfuß mit Beschwerden unter Mittelfußköpfchen. Das ist so eine klassische Indikation. Dann wird man stützende Einlagen geben. Zunehmend mehr braucht man bettende Einlagen. Das ist so ungefähr leicht zu erklären. Wenn Sie beispielsweise irgendwo knöcherne Prominenzen haben oder Fußareale, die Ihnen sehr wehtun, dann sind bettende Einlagen zur Entlastung ganz gut zu nutzen. Dann gibt es spezielle Einlagenversorgung, beispielsweise schalig gearbeitete. Das ist klassisch, wenn Sie einen starken Knickfuß haben, und Sie müssen den Rückfuß durch eine schalenförmige Konfiguration der Einlage abfangen. Und dann in letzter Zeit zunehmend hochinteressant, ein besonderes Thema, das sind die sogenannten aktivierenden Einlagen. Da gibt es zig Benennungen für sensomotorische Fußorthesen etc. Die sollen über gezielte Stimulierungen unter der Fußsohle Reaktionen der Muskulatur beispielsweise nutzen, um den Fuß aufzurichten oder Gelenke zu entlasten etc.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Und gerade bei den sensomotorischen Einlagen ich hake da nochmal ein wenn wir im Prinzip Bettendoder unterstützende Einlagen haben, dann wird ja der Fuß passiv in seiner Form gehalten und gestützt, Und bei diesen aktivierenden Einlagen ist ja die Idee, dass die Muskulatur aktiviert wird und dadurch irgendwie ein Problem behoben wird. Wir zäumen das jetzt mal quasi rückwärts ein bisschen auf. Wenn wir aktivierende Einlagen machen, was wäre die klassische Indikation, Also so dass man sagt, das ist eine gute Indikation für eine aktivierende Einlage, und was wäre die Indikation für eine passive oder eine stützende Einlage?

Prof. Bernhard Greitemann:

Die klassische Idee einer sensomotorischen Fußorthese so ist dann hinterher der Spezialausdruck dafür die kommt eigentlich bei Ihnen aus dem Arbeitsbereich, also aus der Kinderorthopädie. Also aus der Kinderorthopädie, das sind so klassisch hypotone Kinderknickfüße beispielsweise Eine Weile, die sich schön aufrichten erst, die man natürlich dann anfangs immer versucht, ohne Einlagen hinzubekommen, aber irgendwie wird es nicht groß, besser. Dann wird das Kind so zwischen sechs und acht Jahre alt, und die Eltern sind beunruhigt etc. Da kann man dann gezielt über Stimuli von der Fußsohlenseite her letztendlich die Muskulatur beeinflussen und damit eine aktive Aufrichtung des Fußes anbahnen.

Dr. Robert Hudek:

Grundvoraussetzung das ist ganz wichtig, um das zu verstehen ist natürlich wenn ich einen Reiz setze, dann muss auch das Reizleitungssystem funktionieren. Das heißt als Beispiel es wäre völliger Unsinn, so etwas bei einem Diabetiker zu geben, der eine Störung der Gefühlsempfindung unterm Fuß hat. Aber wenn Sie eine Reaktion erzielen wollen, und dann also bei einfach lokalen Beschwerden im Fuß, aber hat natürlich auch Auswirkungen auf das Knie oder die Hüfte und die Wirbelsäule Wie geht man diagnostisch vor? Was macht man eigentlich? Also, wenn Sie jetzt einen Patienten sehen und untersuchen müssen, ist das ein Kandidat für eine Einlage, ja oder nein? Und welche Schritte gehen Sie dann, um rauszukriegen, welche Einlage der dann?

Prof. Bernhard Greitemann:

braucht, dass das auch wirklich betont wird. Eine medizinische Einlage kann nicht einfach abgescannt werden und irgendwo angefertigt werden und am Patienten nicht angepasst werden. Das heißt, wir brauchen immer eine speziell am Patienten dann auch individuell angearbeitete, angepasste und abgenommene, also kontrollierte Einlage. Dazu bedarf es zunächst erstmal einer funktionell sehr intensiven Untersuchung. Das macht meistens der behandelnde Facharzt, also Orthopäde, unfallchirurg. Da guckt man sich das Gangbild an, guckt sich die Fußwölbungen, längs und Querwölbung an, untersucht die einzelnen Gelenke am Fuß. Da muss man ein bisschen genauer hingucken, aber man kann die Gelenke eigentlich sehr dezidiert einzeln untersuchen. Dann guckt man sich die Achsverhältnisse an den Beinen an, weil das haben Sie vielleicht mit Ihrer Frage so ein bisschen intendiert.

Prof. Bernhard Greitemann:

Es gibt auch die Möglichkeit, mit Schuhzurichtung oder Einlagen am Knie eine Wirkung zu erzeugen, beispielsweise beim starken Knieverschleiß. Dann sollte man sich die Reaktion der Wirbelsäule, den Stand der Wirbelsäule, also vom Achsorgan, mit anschauen. Bei den allermeisten Einlagenversorgungen komme ich damit relativ weit und nah an der Verordnung. Wenn ich beispielsweise Zusatzuntersuchungen brauche, dann ist das in der Regel entweder ein Ultraschall, also Strahlungsarm, oder Röntgen, dann möglichst unter Belastung, sonst kann ich zur Statik wenig sagen und gegebenenfalls aber dann nicht im Routinefall dann auch zusätzliche Untersuchungen wie bildgebende Verfahren, mrt, ct etc. Wenn ich das beieinander habe, kann ich meine Verordnung ausschreiben, bespreche das möglichst vorher mit dem betreuenden Orthopädie-Schuhtechniker des Patienten. Das heißt, es ist so eine Art Teamentscheidung, um dann zu der für den Patienten bestmöglichen Versorgung zu kommen.

Dr. Robert Hudek:

Und wenn man das dann angepasst hat, dann wird das abgenommen. Ich könnte mir vorstellen, das ist ja dann aber wahrscheinlich noch lange nicht das Ende der Fahnenstangenlänge. Das muss ja. Also ich meine, einmal angepasst bedeutet ja, der muss ja dann damit laufen, und dann muss man da ja nachsteuern. Wie geht das vorstatten?

Prof. Bernhard Greitemann:

Ja, das ist eine gute Frage. Das ist ein bisschen abhängig von den Krankheitsbildern. Es ist völlig logisch, ich muss einer Einlagenversorgung auch Zeit geben, zeit geben, die Wirkung zu entfalten, und das ist abhängig vom Beschwerdebild. Wenn ich mir jetzt mal die stinknormalen Spreizfußprobleme angucke und mache, eine Einlage, die so ein bisschen wir nennen das Retrokapital also hinter den Mittelfußköpfchen die wehtun, so ein bisschen das Fußgewölbe etwas anhebt, stützt vielleicht die Mittelfußköpfchen, weich, bettet, dann habe ich aber einen Patienten, der das vielleicht schon länger hat. Meine Lieblingspatienten, die kommen immer im Sommer, das sind dann jung gebliebene, mittelalterige Damen und Herren, die ihren Füßen was Besonderes Gutes tun wollten, und die sind dann auf den Inseln zunächst mal barfuß ein paar Stunden im Sand gelaufen, und was dann natürlich klar ist bei einem völlig untrainierten Fuß wird es dann zu Beschwerden darunter kommen. Also, die würde ich jetzt versorgen, und dann muss ich der Einlagenversorgung auch Zeit geben. Also, das heißt, ich sage meinen Patienten immer warten Sie mal drei bis vier Wochen ab, bis Sie die wirklich konsequent getragen haben. Da sind wir wieder bei einem Thema, die also wirklich konsequent getragen haben.

Prof. Bernhard Greitemann:

Da sind wir wieder bei einem Thema, das muss auch konsequent getragen werden, dann also auch zu Hause und nicht nur auf der Straße vielleicht eine Stunde, und dann gucke ich mir das nach den vier Wochen an. Wenn ich einen Hochrisikofuß habe, wo Verletzbarkeit sein kann, wie Rheuma oder Stoffwechselstörung, also Diabetes, dann ist die Vier-Wochen-Frist viel zu lang. Dann muss ich schon nach ein paar Minuten sehen, dass die Einlage auch keinen Schaden macht. Auch das muss ich kontrollieren.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Und wie ist das, wenn es sind ja auch eben noch berufstätige Patienten, passen diese Einlagen dann noch in die Arbeitsschuhe? Also gerade jetzt so, was Sie angesprochen haben eben Mittelfußschmerzen beim Spreizfuß ist ja was, was wir eben alltäglich sehen Wie ist es dann mit den Arbeitsschuhen? Kann man das dann auch, wenn man eben Sicherheitsschuhe tragen muss? kann man da einfach die Einlagen in den Sicherheitsschuh reintun, oder muss man da nochmal sich irgendwie gesondert informieren.

Prof. Bernhard Greitemann:

Völlig richtig. Sie können sich vorstellen, wenn Sie in Bereichen arbeiten, wo statisch aufladbare Bereiche problematisch sein können, also wo Sie Funkenschlag haben können etc, wo sowas auch im Schuh im Prinzip nicht sich statisch aufladen darf. Da muss die Einlage natürlich genau das Gleiche machen. Da können Sie nicht einfach irgendeine Einlage dann in den Schuh reinpacken. In den allermeisten Arbeitssicherheitsschuhen geht das. In diesen besonderen Fällen wird der Orthopädie Schuhtechniker dann. Da gibt es Einlagen, die Sie zukaufen können von den Firmen, die auch die Sicherheitsschuhe herstellen. Die wird der dann nutzen und dann die individuell zuarbeiten. Gleiche Frage haben Sie auch recht betrifft vor allem die Frage in welchen Schuhen werden die Einlagen getragen? Es gibt so einen Grundsatz Schuhe und Einlage muss eine Einheit sein, und da muss der Fuß auch noch bitte in den Schuh passen. Aber das heißt, ich muss mit dem Patienten, der eine gute, beispielsweise bettende Einlage hat, die hochvolumiger ist, muss ich natürlich besprechen, dass er da keine Pumps anziehen kann, sondern ein bisschen volumigere Schuhe auch hat, wo Platz drin ist.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Oh ja, da kann ich mich gut erinnern. In jungen Assistenzarztjahren habe ich mal Mittelfußprobleme gehabt und eine Einlage bekommen und habe dann versucht, meine Ballerinas zu kriegen. Da haben die Orthopädie-Techniker die Hände über dem Kopf zusammengestarrt.

Prof. Bernhard Greitemann:

Da haben wir als Ärzte, da haben wir als Ärzte auch eine besondere Verantwortung, weil der Patient, der geht ja anschließend zum Schuhmacher mit dem Rezept, und dann ist der Orthopädie-Schutechniker der Bösewicht, der dann sagt du kannst deine gewohnten Schuhe nicht mehr anziehen, weil jetzt die Einlage so groß ist. Und das sollten wir vorbereiten, fairerweise natürlich auch als Ärzte dann den Patienten schon mal sagen, damit die Akzeptanz da höher ist.

Dr. Robert Hudek:

Apropos Schuhe, wenn ich jetzt mal einhaken darf wann merkt man eigentlich, dass so eine Einlage nicht mehr hilft und es eigentlich ein Schuh sein muss?

Prof. Bernhard Greitemann:

Im Prinzip in der Abnahme. Mein alter Chef, den ich sehr verehre, der hat immer gesagt warum müssen wir die Schuhe wechseln, wenn sie endlich passen?

Prof. Bernhard Greitemann:

Das ist ein sehr, sehr weiser Spruch weil wenn man sich die Schuhe mal anguckt bei Patienten, die Fußfehlformen haben, dann nach einer Weile sind die Schuhe ausgebeult. Um es mal zu übertreiben, beispielsweise bei einer Krallenzähe sieht man eine Beule oben drüber. Bestimmte Fußfehlstellungen können Sie mit einer Einlage alleine nicht mehr behandeln. Ein klassisches Beispiel ist der dekompensierende schwere Knickplattfuß. Der kippt Ihnen hinten im Rückfuß weg. Und wenn Sie dann einen weichen Schuh hinten haben von einer weichen Hinterkappe her, dann hält die Einlage überhaupt nichts mehr. Dann kippt der Fuß im Prinzip über die Einlage weg und kann auch nicht helfen. Dann natürlich die andere Möglichkeit ist Sie haben einen Schuh von vornherein, der bewusst eng ist, und die Einlage hat schon ein bisschen Volumen dabei. dann wird es auch nicht gehen. Das heißt, da müssen Sie gucken, wie sieht die Fußfehlform aus, und was ist der Patient bereit an sonstigen schuhtechnischen Sachen zu akzeptieren.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Und muss das dann immer gleich ein richtig orthopädischer Schuh sein, oder gibt es da auch andere Möglichkeiten, schuh sein oder gibt?

Prof. Bernhard Greitemann:

es da auch andere Möglichkeiten? Ja, da gibt es seit einiger Zeit jetzt auf dem Markt andere Möglichkeiten. Das ist begrifflich ein bisschen schwierig. Der hieß mal semi-orthopädischer Schuh, dann wurde er mal Aufbauschuh genannt. Heute gibt es für bestimmte Indikationen Spezialschuhe. Ein Beispiel Sie haben ein Diabetesfußsyndrom, also Zuckererkrankung, und dann gibt es entsprechende Fußfehlformen im Vorfußbereich. Sonst wird immer gesagt naja, die Diabetiker, die haben ein Problem mit ihren Ulzerationen, also den Geschwüren unterm Fuß, den offenen Stellen. Aber inzwischen haben 60 Prozent der Diabetiker gar nicht da ein Problem, sondern im Vorfußbereich durch Krallenzähnenbildungen etc, bildungen etc. Und diese Krallenzähnen, die sage ich mal platt, die dätschen jetzt unter Schuhoberleder und verursachen da Druck, und dann kommt es zu entsprechenden Problemen. Das ist aber im Konfektionsschuh so. Wenn ich jetzt einen diabetischen Spezialschuh habe, der hat eine höhere Aufbauhöhe und eine höhere Breite, das heißt, ich habe mehr Platz in dem Schuh, und schon kann ich eine vernünftige entsprechende Bettung reinlegen, plus habe keinen Druck auf dem Fuß. Das ist abhängig davon, wie stark die Fußfehlform ist. Wenn der Fuß dann da nicht mehr reinpasst, klar, dann muss ich dann auf den Maßschuh gehen.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Das alte Bild von orthopädischen Schuhen sind ja immer noch. Diese hießen Klötze.

Prof. Bernhard Greitemann:

Die schwarzen Klumpen ja.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Genau, ist das heute noch so? Wie sehen die denn heute aus?

Prof. Bernhard Greitemann:

Ich hätte jetzt gesagt, das ist nicht so. aber das stimmt nicht ganz. Natürlich werden sie die auf dem Markt noch finden, und ein schwarzer Schuh ist ja nicht automatisch unattraktiv. Aber orthopädische Maßschuhe können sie in allen Farben finden, mit allen in Anführungszeichen modischen Aufsätzen. Ob einer da vier, fünf Streifen drauf haben will, wie Laufschuhe oder ähnliches, oder einen springenden Panther oder was, das kann man alles hinbekommen. Und ja, das ist wichtig, weil die Akzeptanz gerade bei den Jugendlichen, wenn mal so ein Schuh getragen wird, muss dadurch natürlich erhalten werden können.

Dr. Robert Hudek:

Wie ist das? Kommen die Leute rechtzeitig? oder erleben Sie das häufig in Ihrem Alltag, dass Sie Patienten haben, wo Sie sagen meine Güte, wären Sie mal ein bisschen früher gekommen, da hätten wir noch was retten können?

Prof. Bernhard Greitemann:

Kommt ein bisschen auf die Krankheitsentitäten. Das ist so mein Eindruck, den ich habe. Die allermeisten kommen eigentlich, glaube ich, rechtzeitig, gerade wenn es um die Einlagenversorgung geht, bei den Maßschuhen, bei den schweren Fußfehlformen, da findet man aber dann Krankheitsbilder, wo man echt verzweifelt. Ich hätte jetzt fast gesagt, diabetiker kommen in der Regel zu spät. Die hätten viel früher versorgt werden können. Das hat sich zugegebenermaßen deutlich verbessert durch die Arbeit unserer internistisch-diabetologischen Kollegen mit den Diabetes-Schwerpunktpraxen. Das hat richtig was gebracht.

Dr. Robert Hudek:

Vielleicht nochmal so ein bisschen zum Verständnis. Also, wir haben die Einlage, wir haben den orthopädischen Maßschuh, wir haben einen Konfektionsschuh. Gibt es da noch einen anderen Begriff, und wie kann man sich das jetzt für unsere Zuhörer vorstellen? Die Einlage ist, glaube ich, klar, aber wo zieht man begrifflich die Grenze zwischen einem Maßschuh, konfektionsschuh und vielleicht noch einem anderen Modell, was es noch gibt?

Prof. Bernhard Greitemann:

Also, wenn Sie die Raketenstufen gucken wollen, dann haben wir. Die erste Stufe sind die Einlagenversorgungen. Die kann ich kombinieren. Also sagen wir mal so wenn die Einlage alleine nicht ausreicht, kann ich das mit sogenannten Schuhzurichtungen am Konfektionsschuh kombinieren. Das sind dann Entfederbeispiele. Ich kann an der Hinterkappe des Schuhs was verändern, wie sie das manchmal in engen Fußballschuhen sich holen. Dann können sie die Hinterkappe hinten auspolstern. Wenn sie einen Knickplattfuß haben, können sie die Hinterkante mit Carbon stabilisieren, mit so einer Carbon-Spange.

Prof. Bernhard Greitemann:

Bei den Arthrose-Patienten, also die Verschleißerkrankungen haben, egal ob Hüfte oder Knie, können sie mit einem Pufferabsatz hinten eine Auftrittsdämpfung erreichen. Sie können bei älteren Patienten mehr Sicherheit geben, indem sie einen Keilabsatz drunter machen. Sie können Patienten extrem helfen, beispielsweise wenn sie einen Mittelfußknochenbruch gehabt haben, also traumatologisch was gehabt haben, und der ist vielleicht nicht so ideal zusammengewachsen, oder sie haben noch eine Platte oder Schrauben drin indem sie den Abrollpunkt des Schuhs von der Sohle her zurücksetzen, hinter dem Bereich also sogenannte Abrollsohlen machen. Sie können Sohlenversteifungen machen. Sie können bestimmte Bereiche im Fuß entlasten, indem sie Schmetterlingssohlen unter den Fuß machen.

Prof. Bernhard Greitemann:

Das sind so im Prinzip Sohlen, wo der Teil, der dann wehtut, gebettet ist, reicher auch von der Sohle gehalten wird und seitlich mehr Kraft abgefangen. Sie können bei zig anderen Erkrankungen letztendlich dadurch sehr, sehr viel im Zurichtungsbereich gemacht. So wenn das nicht reicht, dann können Sie, wenn Sie mehr Platz brauchen, auf diese Spezialschuhe gehen, und wenn das wiederum von der Fußfehlform nicht reicht, dann müssen Sie auf den Maßschuh gehen. Da geht es dann in Maßschuhen sogar bis zum Kniegelenk rauf. Also, wenn Sie einen hohen Arthrodesestiefel haben, der den gesamten Rückfuß versteifen muss klassisch bei den Patienten, wo das Sprunggelenk kaputt gegangen ist dann müssen Sie sicherlich bis Hälfte Unterschenkel mit der Schuhhöhe hoch.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Und das sind natürlich enorme Kosten. Das erfordert natürlich auch viel Erfahrung von den Technikern, so etwas anzufertigen. Wie ist die Kostenübernahme für die Patienten? Müssen die Patienten da einen eigenen Anteil bezahlen, oder ist das von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich?

Prof. Bernhard Greitemann:

Also, einen eigenen Anteil müssen die Patienten meist übernehmen. Die Krankenkassen übernehmen aber in der Regel die Kosten dafür. Kasseneinlagen übernehmen aber in der Regel die Kosten dafür. Zum ein Add-on haben möchte, eine Einlage, die vielleicht durchs Material noch ein bisschen angenehmer ist, mit dem Alcantara-Bezug obendrauf und so weiter und so weiter. Da kann man dann im Prinzip einen Eigenanteil zusätzlich mehr bezahlen. Bei den Schuhen ist die Spanne eher noch größer. Da liegen sie bei orthopädischen Maßschuhen sicher in einem Bereich zwischen 1.500 und 2.500 Euro.

Prof. Bernhard Greitemann:

Also das ist dann auch schon ein richtig teures Hilfsmittel. Für einen Patienten ist das günstig. Der hat eine Zuzahlung von 76 Euro und 10 Euro für die Rezeptgebühr. Das heißt, der liegt etwa 86, 90 Euro, und qualitativ so einen Schuh für 90 Euro sonst zu kaufen, wird schwer sein. Also das ist, muss man sagen, eigentlich gut, und die Kassen übernehmen das auch. Man muss einen vernünftigen Antrag, ein vernünftiges Rezept stellen. Bei den teuren Versorgungen ist das immer mit einem Kostenvoranschlag an die Krankenkasse vorher abzustimmen. aber das klappt eigentlich.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Das ist doch schon mal gut zu wissen für die Patienten. Ich habe noch eine Frage. Wir haben ja jetzt immer über die Belastungssituation gesprochen und darüber, dass auch Abdrücke gemacht werden und der Fuß unter Belastung analysiert wird. Es gibt ja jetzt gerade so einen Trend, dass man auch am hängenden Fuß Einlagen anpasst, mit so einem Vakuumsystem. Wie schätzen Sie das ein?

Prof. Bernhard Greitemann:

Also von den Abdrucktechniken. Es gibt verschiedene. Es gibt erstmal einen Maßabdruck. Das ist nicht unbedingt so, das, was allein ausreichen würde. Dann kennen Sie bestimmt sicherlich oder jeder Patient hat das gesehen den Blauabdruck. Da muss man auf so eine Platte drauf treten, und dann sieht man a, die Fußlänge, die fußbreite genau, und c, was man dann noch sieht, ist halt den druck unterm fuß, wo also im prinzip areale mit mehr belastung sind. Der ist durchaus auch noch probat. Den braucht man auch meistens noch, weil er mir zumindest länge und breite schon mal erstmal vernünftig verlässlich darstellt. Dann gibt es den formabdruck. Das kennt man typischerweise als Trittschaum. Da tritt man dann in so einen Schaum rein, und das ist eigentlich eine dreidimensionale Trittabdruck. Das Problem ist, er muss vernünftig abgenommen werden. Beispiel wenn Sie eine ältere Dame haben, und Sie würden den im Stehen abnehmen und die einfach reintreten lassen, dann ist die so wackelig, dann können Sie den ganzen Abdruck vergessen.

Prof. Bernhard Greitemann:

Das heißt, der Abdruck wird am besten dann vom Techniker geführt, in diesen Trittschaum reingebracht. Dann gab es früher den Gipsabdruck. Der verschwindet heute zunehmend. Gipsabdruck hatte man früher gemacht, weil man konnte sehr schön dann schon modellierend eingreifen. Das heißt, an dem Gips hat der Techniker im Prinzip schon so ein bisschen seine Piloten gedrückt. Zunehmend kommen jetzt die Scan-Techniken. Das ist das, was Zukunft sein wird. Das heißt, über einen 2D oder 3D-Scanner kann ich die Fußformen gut bestimmen. Das kann ich mit der Abdrucktechnik kombinieren, und dann habe ich eigentlich ein gutes Bild auch mit stehen. Das sind so die Abdrucktechniken, die man heute nimmt.

Dr. Robert Hudek:

Wenn man jetzt die technische Orthopädie und eben auch die Schuhanpassung als echte Spezialdisziplin sieht, weil das ist ja wirklich eine besondere, ja, ich möchte sagen handwerkliche Sache, die ja in Abstimmung mit einem Orthopädie-technischen Handwerk einhergeht, kanal. Was würden Sie denn diesen Zuhörern am liebsten so aus ihrer Erfahrung mit auf den Weg geben, aus ihrer Disziplin? Gibt es bestimmte Dinge, auf die Sie aufmerksam machen möchten?

Prof. Bernhard Greitemann:

Das eine ist in der Beratung hören Sie auf Ihren behandelnden Orthopäden. Der hat meistens gute oder schlechte Erfahrungen mit Orthopädie, schultechnikern oder auch Orthopädie-Technikern. Das heißt mit anderen Worten, er kann Ihnen dann auch sagen, wo er gute Erfahrungen hat. Sie müssen ihn aber fragen als Patient, weil das darf er Ihnen einfach so nicht sagen. Ich mache es immer so das geht da um Wettbewerbsrecht und Compliance und sowas also dass da nicht irgendwelche Bestechungen laufen. Ich sage meinem Patienten immer Sie als Patient haben die Entscheidung. Das heißt, sie können hingehen, wo Sie wollen. Ich berate Sie gerne, und wenn Sie mich beraten, kann ich Ihnen drei geben. So dann gebe ich Ihnen drei Adressen irgendwo in der Nähe, wo er wohnt, wo ich mich darauf verlassen kann und wo ich auch weiß, dass die mit mir Rücksprache halten. Das heißt, dass wir die Versorgung vernünftig besprechen können, und dann klappt das. Das ist so eine wichtige Message.

Prof. Bernhard Greitemann:

Die andere das war eigentlich der Aufreger der letzten Jahre in der Orthopädie Schuhtechnik. Das ist etwas und deshalb hatte ich das vorhin schon angesprochen was ich wirklich betonen möchte im Moment fast auf dem Markt war, wo im Prinzip mit einer App oder mit einem Foto der Fuß fotografiert wird, irgendwo eine Einlage angefertigt wird, und dann kommt der Postbote oder Amazon und schickt die bei Ihnen vorbei. Das kann es nicht sein. Wir haben doch Einlagen, nur dann also, wir unterscheiden Einlagen von den Einlagen, die ich sonst irgendwo mir kaufen kann. Also keine medizinischen Einlagen. Wenn ich medizinische Einlagen will, dann will ich eine ganz spezifische Wirkweise, die individuell an meinen Patienten angepasst ist, und das kann dann nicht über Postversand sein. Da muss der Handwerker, das heißt der Spezialist, das auch anpassen am Patienten.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Ich würde hier auch einmal nochmal einhaken Sie haben hier eine fantastische Broschüre auch für Orthopäden falls Orthopäden und Unverschirrungen auch mit zuhören erstellt, die über den Berufsverband auch verteilt wird, Insofern, wenn da Interesse bestehen sollten, da gibt es gute Informationsmaterialien, wo man all diese Dinge auch nachlesen kann und sehr dezidiert erklärt und erläutert bekommt, Und da hat man auch nochmal ein kompaktes Nachschlagewerk.

Prof. Bernhard Greitemann:

Das kann ich nur unterstreichen. Das ist wirklich auch eine Teamarbeit. Es gibt einen Beratungsausschuss der Deutschen Orthopädengesellschaft für die orthopädischen Schuhtechniker für Fragestellungen, die die immer haben, und das ist ein wirklich gut zusammenarbeitender Kreis von Kollegen mit Schuhtechnikern, und wir haben die zwei Büchleins beim BVU.

Dr. Anna-Katharina Doepfer:

Das eine betrifft die Einlagen und das andere betrifft die Schuhzurichtung und die orthopädischen Maßschuhe. Sehr plakativ, einfach gehalten, aber da steht eigentlich alles drin, was Sie wissen müssen. Haben Sie vielleicht noch einen Tipp oder einen Ratschlag für Patienten? Also erstmal was können die Patienten tun, damit die Einlagen möglichst gut passen und lange halten, und wie kann man die am besten pflegen?

Prof. Bernhard Greitemann:

Vielleicht noch so ein letzter Rat auf dem Weg Pflegen hieße mit anderen Worten schon mal nicht damit schwimmen gehen, das wäre schon mal etwas. Ja, es kommt auf die Materialien an. Aber wenn sie oben beispielsweise an der Nordsee oder an der Ostsee laufen, bitte, das muss dann auch ein bisschen mit Bedacht gemacht werden, dass die nicht laufen klatschnass werden.

Prof. Bernhard Greitemann:

Dann sind sie nämlich sofort verzogen. Die Einlagen haben unterschiedliche Materialien. Man kann auch, wenn man sagt, ich möchte Wasser häufig hin, kann man sich auch die Oberflächen der Einlagen da machen lassen. Aber ich glaube, der wichtigste Hinweis oder Tipp für den Patienten ist eine Einlage, die nicht getragen wird, die kann auch nichts nützen. Das heißt, wenn Sie die für einen Straßenschuh verordnet haben, und die passt da rein, und Sie sagen, aber zu Hause möchte ich meinen alten Schluffen dann doch lieber tragen, dann müssen Sie nicht wundern, dass die Aufrichtung Ihrer Fußwölbung nicht so ganz klappt, weil Sie, ich würde mal sagen, mehr mit den Hausschuhen rumlaufen als mit den Straßenschuhen.

Dr. Robert Hudek:

Herzlichen Dank für die wundervollen und aufscheteiligte, nämlich der Orthopäde, der die Indikation stellt und der dann aber in sehr enger Abstimmung auch mit dem Schuhhandwerk und dem technischen Handwerk sprechen muss, damit das dann auch wirklich zuverlässig und gut gemacht wird und zu langfristig guten Ergebnissen wird.

Prof. Bernhard Greitemann:

Herzlichen Dank für das tolle Interview, und nicht zu vergessen, wenn ich Ihnen das noch sagen darf nicht vergessen der Patient, der hat auch noch was mitzureden. Das heißt, den müssen wir überzeugen und mitnehmen, sonst kann das nicht klappen.

Dr. Robert Hudek:

Genau, und das machen wir mit dieser Sendung heute vielleicht ein wenig. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie wieder bald zuhören. Herzlichen Dank, musik.

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