
OrthoCast - Der Orthinform Podcast
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Jedes dritte Kind erlebt sie: Wachstumsschmerzen verstehen und behandeln (Dr. Martin Arbogast)
Schmerzende Kinderbeine in der Nacht – ein Phänomen, das viele Eltern kennen und oft ratlos macht. Diese häufigen nächtlichen Beschwerden sind meist harmlose Wachstumsschmerzen, die laut Dr. Martin Arbogast etwa ein Drittel aller Kinder zwischen drei und zwölf Jahren betreffen.
Der renommierte Chefarzt für Rheumatologie und Orthopädie aus der Klinik Oberammergau entschlüsselt in diesem aufschlussreichen Gespräch die typischen Anzeichen dieser oft missverstandenen Beschwerden: symmetrische Schmerzen im Schienbeinbereich, die vorwiegend abends auftreten und trotz ihrer Intensität die Kinder tagsüber nicht beim Sport oder anderen Aktivitäten einschränken. Die Ursache liegt vermutlich in der Spannung der Knochenhaut während des Wachstumsprozesses.
Besonders wertvoll für besorgte Eltern sind Dr. Arbogasts klare Abgrenzungskriterien zu ernsteren Erkrankungen. Während Wachstumsschmerzen typischerweise symmetrisch auftreten und keine Gelenkbeteiligung zeigen, sollten einseitige Schwellungen, Rötungen oder Fieber Anlass zur ärztlichen Abklärung geben.
Der Experte gibt praktische Tipps zur Linderung – von sanften Massagen über Wärmeanwendungen bis hin zu beruhigenden Gesprächen – und erklärt, wann der Gang zum Kinderarzt unumgänglich ist.
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Music under CC License:
Artist: Jahzzar, Track: Blueprint (License: CC BY-SA 4.0 DEED)
Artist: Breuss Arrizabalaga Quintet, Track: Mount Fuji (License: CC PD)
Herzlich willkommen allerseits. Heute haben wir ein ganz spezielles Thema, katharina. Heute geht es nämlich um Wachstumsschmerzen bei Kindern und Jugendlichen. Und da ich selber davon überhaupt keine Ahnung habe, muss ich ja zugeben, haben wir, ich würde sagen, den Experten überhaupt eingeladen, und zwar ist das Dr Martin Abogast. Er kommt aus der Klinik Oberammergau und ist dort Chefarzt der Abteilung für Rheuma, orthopädie und Handchirurgie und Konsiliarius im Deutschen Zentrum für Kinder und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen. Und Martin, ich habe vorhin erfahren, das ist ein richtig großes Ding, das ist riesig und teilweise größer als so manche Rheuma-Zentren in Millionenstädten. Du hast gesagt, das ist größer als Moskau, nur mal, um so einen Größenvergleich zu geben. Martin, wachstumsschmerzen bei Kindern und Jugendlichen helfen mir auf die Sprünge. Ich habe selber Kinder, und die haben das auch schon gehabt. Aber was genau ist das eigentlich, und welche Kinder betrifft das vor allem?
Dr. Martin Arbogast:Ja, also, wachstumsschmerzen sind ja im Grunde keine Diagnose im eigentlichen Sinne. Wachstumsschmerzen treten bei jedem dritten Kind auf. Auch meine beiden Kinder haben das auch gehabt, und charakteristisch sind es eben typische symmetrische Schmerzen im Schienbeinbereich, zum Beispiel im mittleren Schienbeinabschnitt. Das sind typische Beinschmerzen im Unterschenkel. Das können kurzdauernd, über Stunden anhaltende unangenehme Beschwerden sein, die meistens am Abend auftreten, aber wo man es gar nicht gebrauchen kann, und letztendlich ist es eine Ausschlussdiagnose.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Und wie geht so die Diagnostik vor? Also, die Eltern stellen fest, das Kind hat nachts Schmerzen, oder abends, wenn ich es ins Bett bringen möchte. Das ist ja total unpraktisch. Wie geht man dann vor?
Dr. Martin Arbogast:Die Eltern? wo sollen die sich hinwenden? Ja, zunächst ist es so, dass die Schmerzen zum Glück nur kurze Zeit anhalten. Also, wenn man nur einen oder zwei Tage Schmerzen hat, dann ist es meistens so, dass man gar nicht zum Arzt geht. Aber wenn das jetzt über mehrere Tage geht, dann wird man natürlich ein bisschen unruhig. Wenn da ziehende, brennende, stechende Schmerzen da sind, die die Kinder vom Einschlafen behindern, dann sollte der Kinderarzt aufgesucht werden, denn es betrifft, wie gesagt, jedes dritte Kind, und das Alter ist charakteristisch zwischen dem dritten und zwölften Lebensjahr. Und wenn man dann so genauer nachfragt, dann fehlt eigentlich ein Trauma. Man denkt ja immer, die sind am Tag irgendwo hingefallen und haben sich da verletzt.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Aber nein, es ist tatsächlich kein Trauma erinnerlich. Und wie geht das dann weiter? Also, der Kinderarzt untersucht die Kinder, macht natürlich eine Anamnese, fragt eben nach Trauma, und dann, wie geht es dann weiter?
Dr. Martin Arbogast:Du hast es ganz genau beschrieben die Anamnese ist das Allentscheidende. Das heißt also, es liegt meist keine Störung des Allgemeinbefindens vor. Der Kinderarzt guckt hat das Kind Fieber sind verstärkte Müdigkeit, abgeschlagenheiten da. Das heißt, generalisierte Symptome sollten rausgeschlossen werden. Es ist lokal keine Rötung da, meist keine Überwärmung, auch keine Schwellung, und wenn man genau schaut, dann sind die Gelenke ausgespart. Das heißt, es sollten keine gelenkbetonten Beschwerden da sein, und meistens sind die Kinder auch völlig unauffällig vom Gangbild, das heißt, die hinken nicht, und da es ja symmetrisch ist, sollten die auch weiterhin Sport machen können über Tag, und das tun sie auch.
Dr. Robert Hudek:Braucht man denn dann eigentlich, wenn man so ein Kind in der Praxis hat und man merkt die ganzen Symptome und die Anamnese passt, braucht man denn dann überhaupt noch weitere Diagnostik? Oder kann man sagen ach, das ist ein Wachstumsschmerz, komm, lass die Finger davon.
Dr. Martin Arbogast:Naja, der erfahrene Kinderarzt, der kann das meistens richtig einschätzen, und der etwas unerfahrener sollte natürlich dann näher nachschauen. Die Ursache ist ja bei den Wachstumsschmerzen völlig unbekannt. Wir vermuten, dass es eigentlich am Knochenwachstum liegt. Das heißt, es gibt ja so verschiedene Phasen, wo die Spannung der Knochenhaut größer sein kann. Die Weichteile wachsen mit, die Faszien wachsen mit, und das macht dann diesen Schmerz, und am Abend ist dann eben die Reißflut entsprechend die Aufmerksamkeit. Die Schmerzschnelle ist niedriger, und dadurch kommt das auch erst zum Tragen. Die Schmerzschwelle ist niedriger, und dadurch kommt das auch erst zum Tragen, und der Erfahrene muss natürlich entzündliche Veränderungen erkennen können, die ja meist gelenkt, betont erscheinen. Es sollten natürlich auch gutartige und bösartige Erkrankungen am Knochen ausgeschlossen werden, und das kann ich natürlich nicht mit der Hand, da brauche ich natürlich auch ein bisschen mehr Portfolio. Stoffwechselerkrankungen können dafür Ursache sein, und die genaue Anamnese ist das Kind nicht doch mal hingefallen oder hat sich irgendwie das Knie verdreht? Und da ist die Symmetrie dann auch entscheidend.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Und empfiehlt es sich dann, nochmal eine Diagnostik zu machen, und wenn ja, welche? Wie?
Dr. Martin Arbogast:gesagt, anamnese ist das A und O. Klinische Untersuchungen kommt dazu. Der Erfahrene kann es dann im Grunde auch einschätzen. Man hat heute die Sonografie am Kittel und kann im Grunde schnell den Schallkopf an die entsprechenden Regionen setzen, und wenn man dort nichts sieht, dann kann man es im Grunde ausschließen. Diese drei Tools sind eigentlich alle entscheidend. Diese drei Tools sind eigentlich alle entscheidend. Wenn das jetzt so ein bisschen unklar wird, wenn es also in Richtung Gelenk geht, wenn es in Richtung Wachstumsfuge geht, dann kann man natürlich ein Rö, dass die da ruhig liegen bleiben. Das ist immer die Frage, ob man diesen Aufwand machen muss. Und natürlich gehört ein Labor dazu, wenn man im Grunde entzündliche Veränderungen ausschließen möchte.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Genau, kleine Kinder. Das war gerade das Stichwort. Manchmal ist ja die Lokalisation von kleinen Kindern noch nicht so ganz akkurat. Die zeigen ja dann manchmal in Bereiche, die gar nicht so das Problem sind. Wie geht man denn da am besten vor?
Dr. Martin Arbogast:Das ist eine ganz, ganz gute Frage, weil bei Kindern ist ja oft so, dass die Knieschmerzen oder Schienbeinschmerzen angehen, und das Ganze kommt von der Etage drüber, weil es ganz einfach von der Nervenwurzel L2 zum Beispiel getriggert sein kann, und da gehört es natürlich sozusagen in die Hände der Kinderärzte, die das meistens wissen und das gut einschätzen können.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Und vielleicht noch eine kurze Anmerkung, vielleicht auch noch an die Hüfte denken.
Dr. Martin Arbogast:Genau die Hüfte muss unbedingt natürlich mit untersucht werden. Ich bin ja selber Generalist, das heißt, ich untersuche die Leute von oben bis unten, und so sollte der Kinderarzt natürlich auch denken, dass er den Schienbeinschmerz nicht am Schienbein nur alleine lokalisiert, sondern natürlich die Hüfte mit untersucht. Aber ich glaube, das ist eine Selbstverständlichkeit.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Ich glaube, für uns selber, für die zuhörenden Eltern ist, das glaube ich, nochmal wichtig zu wissen, dass die Lokalisation manchmal nicht da ist, wo die Kinder es anzeigen, sondern dass wir eben auch an die Hüfte denken, an den Rücken denken, und dass das eben mit inkludiert ist.
Dr. Robert Hudek:Wenn man jetzt diese Wachstumsschmerzen mal hernimmt, das ist ja sowas von harmlos. Also das kommt und geht, das ist wie so ein Schnupfen, das passiert also gar nichts. Aber wir wissen natürlich auch in der Orthopädie und Unfallchirurgie, dass es ja manchmal Dinge gibt, die man abgrenzen muss, weil die gehen dann doch nicht so einfach so weg Und davon. also ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir jetzt keine Panik machen unter den Zuhörern, weil die dann alle gleich denken oh Gott, mein Kind hat was Schlimmes. Nein, so ist es nicht. Das Häufige ist häufig, und das Selten ist selten. Aber Martin, sag mal, wovon muss man denn das wirklich abgrenzen? Was könnte das denn noch sein?
Dr. Martin Arbogast:Wenn es in Richtung Gelenk geht, dann denkt man natürlich am ehesten an entzündliche Erkrankungen, an entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Das ist ja sozusagen mein Hauptfeld, was ich tagtäglich habe, und da kommen auch die Kinder in die Klinik mit dieser Fragestellung. Das heißt, mein Kind hat Schmerzen, meist einseitig am Knie oder am Sprunggelenk, und dann muss man natürlich in diese Richtung suchen.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Und wie geht das nun vonstatten? Also, wenn man sagt, okay, gut, man ist sich nicht ganz sicher, ob Kinderräumer damit eine Rolle spielt, wie funktioniert das? Einfach so, damit man so ein bisschen so einen Eindruck bekommt.
Dr. Martin Arbogast:Also Kinder werden dann meist in die Klinik geschickt. Wenn man jetzt in der Praxis nicht weiterkommt oder wenn man was abgeklärt haben möchte, was man selber mit Bildgebung und anderen Tools nicht ausschließen kann, wenn man den Verdacht hat, dass da kein selbstlimitierendes Erkrankungsbild und das sind ja die Wachstumsschmerzen ist, dann muss man im Grunde halt letztendlich weiter suchen, und das Suchen geht dann eben mit dem Sonogramm oder mit dem MRT oder mit dem Röntgen einher, wo man dann eben andere Erkrankungsbilder, zum Beispiel entzündliche Erkrankungsbilder, zum Beispiel Tumore es gibt ja auch gutartige, es gibt aber auch bösartige. Das ist sehr, sehr selten. Und das ist das, robert, was du gesagt hast, dass, was häufig ist, ist häufig, und was selten ist, ist selten. Der Knochentumor selbst ist wirklich eine ganz, ganz seltene Entität, aber auch daran muss man mal denken. Und natürlich Stoffwechselerkrankungen gehören mit abgeklärt Und letztendlich das Trauma in der Anamnese und erinnere das gar nicht mehr, und dann hat doch eine Infraktion stattgefunden. Das heißt, ich muss dann doch mal an einen Bruch denken, der vielleicht vom Kind gar nicht so empfunden wird.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Du hast gesagt, selbst limitierende Erkrankungen. Wie lange geht denn das Ganze? Also, wenn mein Kind anfängt mit drei, muss ich da jetzt abwarten, bis es 14 ist, oder ist das nach ein paar Tagen vorbei? Oder ist das nach ein paar Tagen vorbei, oder kommt das alle paar Monate wieder? Oder was ist denn so? ein normaler, gängiger?
Dr. Martin Arbogast:Zyklus. Letztendlich ist es ja eine selbstlimitierende Erkrankung, die nach wenigen Tagen, manchmal auch nach wenigen Wochen dann aufhört. Und die Beratung der Familie ist da das Allentscheidende, wenn man über die Gutartigkeit der Symptomatik spricht und mit den Familienmitgliedern das Ganze klar macht, und dann ist oftmals eine Reduktion der Schmerzen schon am nächsten Abend erkennbar. Und man kann natürlich auch noch ein bisschen therapeutisch tätig werden, indem man halt lokale Salbenapplikationen, massagen, lymphdrainagen macht, kryotherapie, wärmetherapie. Das sind alles Dinge, die man im Grunde zu Hause ja auch bei sich selber anwendet.
Dr. Martin Arbogast:Dehn-übungen kann man machen. Dann gibt es natürlich auch so die medikamentöse Ergänzung wie Vitamin C, spurenelemente, calcium. Da es ja so eine Vitamin D Historie oder Anamnese geben kann, gibt man auch manchmal Vitamin D oder kombiniert mit Magnesium, und die ganz Schnellen geben dann halt einfach nicht ständig das Antirheumatikum, die ganz einfach Ruhe haben wollen. Mag sein, wirkt auch, aber ist vielleicht nicht das erste Tool, was man in die Hand nehmen soll. Das Kümmern mit dem Kind beschreiben, dass es eben nichts Schlimmes ist, das führt schon dazu, dass da die Beschwerden reduziert werden. Also, die Psychologie spielt da auch eine Rolle.
Dr. Robert Hudek:Vorhin hatten wir das Schienbein als Manifestationsort genannt. Wenn du jetzt mal so in der Top-5-Liste guckst, also welche Knochen, röhrenknochen kommen da in deinem Alltag noch häufig vor.
Dr. Martin Arbogast:Also, das Schienbein ist tatsächlich die Top-Number-One, dann kommt natürlich auch in Richtung Sprunggelenk. Auch die Ferse kann man mit eine Rolle spielen. Immer beachtet man die Symmetrie. Dann muss man das unterscheiden von der isolierten Betroffenheit einer Ferse. Oder auch der Oberschenkelschmerz, die Kniekehle, kann mal eine Rolle spielen. Also das kann schon so ein bisschen unterschiedlich sein, je nachdem, wo das Wachstum gerade stattfindet. Wenn man die Theorie hat, dass diese Dehnphänomene dann die Ursache für diese Erkrankung oder beziehungsweise für dieses Krankheitsbild sind, Gibt es Daten dazu eigentlich, ob es noch äußere Faktoren gibt?
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Also wird ja immer wieder diskutiert Druckwechsel, Wetterdruckwechsel, Gibt es?
Dr. Martin Arbogast:da irgendwelche Daten zu? Habe ich jetzt keine wirklichen gefunden. Natürlich wird darüber diskutiert, aber da gibt es jetzt keine evidenzbasierten Studien. Habe ich keine gefunden, jedenfalls.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Gibt es denn Prävention? Also, wenn ich jetzt merke, okay, mein Kind hat das schon mal gehabt, wir haben das gut hingekriegt, das hat sich verbessert, und das kommt meinetwegen nach ein, zwei Jahren wieder, gibt es irgendwas, was ich machen kann, damit ich das vielleicht vermeiden kann? Oder gibt es da irgendwie Sachen, die ich meinem Kind mit auf den Weg geben kann oder mir auch, mir selber?
Dr. Martin Arbogast:Wie kann ich mit meinem Kind da umgehen, wenn das Ganze wieder auftaucht? Ich glaube, der positive Trigger ist das Entscheidende. Also, wenn ich das schon mal gehabt habe und weiß, dass zum Beispiel Dehnübungen mir helfen oder dass die Massage was hilft oder dass die Wärme hilft, manchmal auch Kälte, dann nehme ich das natürlich nochmal oder versuche, das damit zu intensivieren. Oder wenn ich weiß, kind spricht zum Beispiel auch auf ein Placebo an, dann nehme ich das Placebo Wobei das natürlich nicht die erste Wahl ist, aber auch das wäre eine Möglichkeit, diese Beschwerden in den Griff zu kriegen Und natürlich auch die normalen NSAR bzw die zum Beispiel auch Vitamin D als monatliche Gabe. Das kann auch mal helfen.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Was wäre für dich ein Placebo?
Dr. Martin Arbogast:Viele neigen ja, die Homöopathie eher mit reinzunehmen und nicht Medikamente zu geben, die möglicherweise Magen, Darm, trakt und Leber schädigen können. Und ich sage wer heilt, hat recht. Das heißt also, wenn ich mit meiner Homöopathie weiterkomme und irgendein Kügelchen nehme, was da helfen kann, dann macht man da gute Erfahrungen. Es gibt ja Berichte von den Eltern, die bei Kindern bei Zahnschmerzen zum Beispiel auch die Kügelchen-Therapie gemacht haben und das gut geholfen hat. Und wenn so ein Kind darauf anspricht und die können ja nicht differenzieren, ist das jetzt ein hochpotenzielles Medikament oder ist das im Grunde eher Richtung Placebo gehend und es trotzdem anspricht, dann würde ich das immer wieder anwenden. Das ist doch klar.
Dr. Robert Hudek:Und Vitamin D. Wenn man so ein Kind hat, wie viel Vitamin D würde man da geben?
Dr. Martin Arbogast:Na gut, da ist man natürlich nicht bei der Erwachsenendosis. Das macht man natürlich in der abgespeckten Version. Das hängt vom Körpergewicht ab. Beim Erwachsenen sind es 1000 Milligramm Und muss man natürlich dann herunterbrechen auf das Körpergewicht vom Kind, und ich würde es auch nicht länger als vier Wochen machen.
Dr. Robert Hudek:Wenn man jetzt so das klassische Kind hat. Vorhin hatten wir ja über so Zeiträume gesprochen. Ich würde das jetzt nochmal gerne aufgreifen, damit das klar wird. Also, wo ist für dich die Grenze? Also wenn du sagst also das geht jetzt schon ein bisschen zu lang, Jetzt müssen wir ein bisschen weiter Diagnostik machen denn ich denke, die meisten Eltern werden ja das auch ganz intuitiv genauso machen, wie es gerade eben angedeutet wurde Aber du als Fachmann, wenn du sagst oh nee, das ist, jetzt müssen wir aber ein bisschen weiter Diagnostik machen, Wo ist für dich so ungefähr die Zeitgrenze?
Dr. Martin Arbogast:Ich würde sagen, wenn du eine Woche lang diese Beschwerden hast, dann verlierst du auch so langsam die Geduld und wirst ein bisschen unsicher, ob das jetzt tatsächlich ein typischer Wachstumsschmerz ist oder ob es nicht was anderes ist. Dann würde ich natürlich den Telefonhörer in die Hand nehmen oder eine Mail schreiben an meinen Kinderarzt und möglichst schnell einen Termin kriegen. Das ist ja heute auch nicht so ganz einfach, dann einen zeitnahen Termin zu bekommen. Deswegen muss man das so ein bisschen in die Realität einbetten. Wenn ich heute einen Termin beim Kinderarzt haben möchte, dann muss ich noch ein paar Tage rechnen, bis ich dann fündig werde.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Wenn man überhaupt einen Kinderarzt kriegt. auch das haben einige Eltern ja als Schwierigkeit An wen könnte man sich denn noch wenden, wenn der Kinderarzt keine Kapazitäten hat?
Dr. Martin Arbogast:Die erste Ansprechstation ist natürlich der Hausarzt. Das heißt also, der Hausarzt, der kann das natürlich auch erkennen und dann auch behandeln. Wenn der sich unsicher wird oder wenn er glaubt, da gehört der Kinderarzt mit einbezogen, dann muss er eben eine Überweisung ausstellen und das eventuell auch lancieren. Das heißt also Kinder gehören ganz einfach schneller behandelt, auch was die Ausschlussdiagnostik angeht.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Ich glaube, die Orthopäden und Unverschorungen stehen sonst auch gewähr bei Fuß, aber da ist es auch nicht so ganz leicht mit den Terminen. Aber was gibt es denn an sozusagen Dingen, wo man sagt okay, jetzt muss man ein bisschen hellhörig werden, also einmal die Dauer hatten wir jetzt schon angesprochen, g, einmal die Dauer hatten wir jetzt schon angesprochen. Gibt es noch irgendwas, wo man sagen muss okay, da müssen die Eltern auch sensibel darauf reagieren, dass man das auf jeden Fall nicht verpasst?
Dr. Martin Arbogast:Gerade wenn ich eine Seitendifferenz bemerke. Wenn ein Gelenk geschwollen ist, wenn jetzt zum Beispiel ein verdicktes Kniegelenk oder eine verdickte Sprunggelenkszone erkennbar ist, wenn das Ganze druckschmerzhaft auch im Gelenkbereich wird, dann liegen keine Wachstumsstörungen mehr vor, dann ist es was anderes. Dann muss ich eben ein entzündliches Geschehen zum Beispiel ausschließen. Das können natürlich verschiedene Ursachen sein. Das kann natürlich was Rheumatisches sein, das kann aber auch was Bakterielles sein, und das kann auch mal von einer Zahngeschichte kommen, was reaktiv sich am Gelenk abspielt. Oder wir kennen alle den Hüftschnupfen, der auch mal im Knie empfunden wird. Auch solche Dinge müssen ganz einfach dann abgeklopft werden. Das können die Orthopäden, das können die Kinderärzte, das können aber auch teilweise die Hausärzte ausschließen. Die haben das alle auch schon mal gesehen.
Dr. Robert Hudek:Wahrscheinlich macht man dann auch erstmal ein Labor, das heißt, man nimmt eine Blutprobe ab. Wo genau schaut man dann da?
Dr. Martin Arbogast:drauf. Das CRP ist das Allentscheidende, das heißt also, das C-reaktive Protein ist ein Entzündungsparameter, ein grober Entzündungsparameter, der eben in alle Richtungen was anzeigen kann, und wenn das erhöht ist, dann liegen keine Wachstumsschmerzen vor, dann ist es eben was anderes, und dann muss ich eben tiefer nachschauen und graben, wo das herkommen könnte.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Können wir den Eltern vielleicht irgendwas mit an die Hand geben, dass man sagt also länger als vier Wochen oder zwei Wochen oder Seite, die sich auf eine Seite festigt, eine feste Lokalisation, zunahme. Gibt es noch irgendwas, was wir so wie so kleine Handtipps sozusagen machen könnten? Kann man da irgendwie was so schlagworteartig mitgeben?
Dr. Martin Arbogast:Ja, also, das Gangbild sollte unverändert sein, die Sportfähigkeit sollte gegeben sein, es sollte nichts Gelenkbetontes vorhanden sein. Das ist immer schwierig, bei Kindern natürlich zu sagen, wo ist jetzt die Gelenkgrenze, aber das kann man eigentlich beim Kind relativ gut herausfinden. Es sollte keine Rötung, keine Überwärmung da sein, keine Abgeschleckenheit. Das Fieber sollte im Grunde ausgeschlossen sein, und wenn man die Dinge im Grunde schon abhaken kann, da einen grünen Pfeil dran machen kann, dann geht es in die richtige Richtung. Dann weiß man, das ist eben eine Ausschlussdiagnose.
Dr. Robert Hudek:Gibt es denn eigentlich bei diesen Wachstumsschmerzen? ist das häufiger bei Jungs oder bei Mädchen oder bei Kindern, die besonders viel rennen oder die einen besonders starken Wachstumsschub haben? Also, ich denke da zum Beispiel an meine mittlere Tochter, die mit zwölf Jahren mittlerweile eigentlich schon so groß ist wie meine Frau. Kann man dazu was sagen?
Dr. Martin Arbogast:Ja, da die Theorie ja darauf basiert, dass die Knochenhaut geschädigt ist in dieser Zeit, oder beziehungsweise reagiert in dieser Zeit auch die Faszien reagieren, sind natürlich die schnell wachsenden Verläufe, die sind besonders empfindlich. No-transcript.
Dr. Robert Hudek:Und sag mal, martin, jetzt nehmen wir mal so ein typisches Beispiel. Also, es kommt jetzt so ein Mädchen und hat da diese Schmerzen, und es geht jetzt auch so ein bisschen länger schon. Und dann denkst du dir okay, jetzt müssen wir weiter graben und ein Labor machen. Und tatsächlich, das Entzündungsprotein, dieses CRP, das C-reaktive Protein, das kennen vielleicht manche von unseren Zuhörern sogar schon das ist jetzt erhöht. Jetzt eröffnet sich ja für dich ein ganzes Spektrum an Suchmöglichkeiten. Wie würdest du jetzt weiter fahnden?
Dr. Martin Arbogast:Ich würde erstmal eine klinische Untersuchung machen und lokalisieren, woher das herkommt, ob das ein Knie ist, ob das eine Hüfte ist, ob eventuell an der Hand noch irgendeine Veränderung da ist, am Ellenbogen, an der Schulter. Es gehört eine Ganzkörperuntersuchung dazu, auch die Wirbelsäule gehört dazu. Es gehört dann auch dazu, dass man genau fragt wann treten die Beschwerden auf? Sind die in der Nacht da? Sind die vielleicht am frühen Morgen auch noch da, und sind die tageszeitlich unabhängig? Ist das ein Dauerschmerz? ist das ein Ruheschmerz, belastungsschmerz oder nur ein Bewegungsschmerz? Und kann ich denn überhaupt meinen Sport machen? Und wenn das eben nicht der Fall ist und die Beschwerden näher charakterisiert werden, dann kann ich eine Stufe weiter suchen.
Dr. Martin Arbogast:Im Labor natürlich suche ich zum Beispiel nach enzymischen Veränderungen. Das kann ja Rheumafaktor sein, das kann das CCP sein, das sind zitrolinierte Peptide, die man untersucht, das können ANAs sein, die antinukleären Antikörper, das können ENAs sein, und da kann ich in Richtung Kollagenose suchen. Das ist eher so der rheumatische Part, den man da abklopft. Also, das ist eher so der rheumatische Part, den man da abklopft. Und letztendlich mache ich natürlich auf jeden Fall immer einen Ultraschall und schaue, ob da ein Gelenkerguss da ist, ob da die Gelenkinnenhaut verdickt, entzündet und mehr durchblutet ist, und das ist immer ein ganz, ganz sicheres Zeichen, dass da eben eine Gelenkentzündung stattgefunden hat oder noch stattfindet. Und wenn ich diese Tools angewendet habe, dann geht das in eine andere Richtung. Dann sind das keine Wachstumsschmerzen, das ist dann eher eine vor dem 16. Lebensjahr dann auftretende juvenile idiopathische Arthritis. Das ist der Oberbegriff für entzündlich-hormatische Erkrankungen, und dann geht das eben in eine spezielle Geschichte hinein.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Und einmal so ein Gefühl dafür zu kriegen. Wie häufig ist denn das? Also wie häufig haben Kinder einen Rheuma?
Dr. Martin Arbogast:Ich glaube, in der Kerndokumentation gibt es so etwa 25.000 bis 30.000 Kinder pro Jahr in Deutschland, die davon betroffen sind. Im Laufe der Jahre sind das mehrere hunderttausend Kinder in der Adoleszenz jetzt, die dazugehören und entsprechend behandelt werden. Also es ist gar nicht so klein die Gruppe, und ich glaube, im Vergleich zum Erwachsenen sind es, glaube ich, ein bis zwei Prozent in der Bevölkerung, die eine rheumatische Grunderkrankung haben, und insofern sollte man daran denken.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Und gibt es da familiäre Dispositionen? Also, wenn die Eltern schon was haben, sollte man dann bei den Kindern auch eher daran denken heute, dass sicherlich die Disposition über die Familie gegeben ist.
Dr. Martin Arbogast:Das heißt, wir kennen Genorte, die weitergegeben werden, und die können natürlich dann eine entzündlich rheumatische Erkrankung auslösen lassen.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Und die Therapie? vielleicht jetzt, wo wir das Thema schon angerissen haben, dass du immer so halb im Raum stehst, du lässt es immer so schwierig. Was würde man dann machen? also, wenn man sagt, man hat jetzt eine Rheumadiagnose gestellt, was passiert dann mit den Kindern?
Dr. Martin Arbogast:Also, wie geht das dann ungefähr, dass man einmal so einen Überblick hat, damit man das einmal abgrenzen kann? vielleicht Gut, zunächst teilt man die Juvenil-Idiopathische Arthritis, ein Überbegriff für sieben verschiedene Entitäten, die man dann unterteilen kann. Die werden dann entsprechend mit nicht-deutalen Antirheumatika zum Beispiel behandelt. Das ist Noproxen oder Ibuprofen auch, und wenn man das nicht in den Griff kriegt, dann kann man intraartikulär Glucocorticoide geben, die ganz gute Wirkung haben, oder laut Leitlinie, das ist eine S2K-Leitlinie dann kann man auch ein sogenanntes Basis-Therapeutikum geben, zum Beispiel das Methotrexat. Das sollte dann letztendlich der Spezialist, der rheumatische Kinderarzt oder der Kinderrheumatologe, so muss man sagen, dann mit betreuen und mit initiieren helfen. Mit betreuen und mit initiieren helfen.
Dr. Anna-Katharina Doepfer:Okay, vielleicht einmal nochmal hier kurz zusammenfassen Wir haben einen kleinen Exkurs gemacht in die Kinderrheumatologie, für alle Zuhörer Wachstumsschmerz ist nicht eine rheumatologische Grunderkrankung, sondern das ist eben einfach nur eine Sache, an die man denken muss. Nochmal ganz, ganz wichtig, dass das sozusagen nicht irgendwie in den falschen Hals gerät. Ja, sehr schön. Also, jetzt haben wir einen schönen Überblick bekommen. Vielleicht fasse ich das nochmal ein bisschen zusammen und sage Wachstumsschmerz ist eine ganz klare Ausschlussdiagnose, ist etwas, was von alleine aufhört, was eine gewisse Zeit auftreten kann, vor allen Dingen in der Unter und Extremität, betont häufig symmetrisch, oder auch an den Schmerzen zunehmen oder sich auf einen Bereich fokussieren, ist es sicherlich sinnvoll, dass man einmal den Kinderarzt oder auch Autopäden und Verschrohung kontaktiert und da eben einmal guckt, dass man eine Diagnostik anstrebt und das Ganze weiter abklärt. Gibt es denn noch vielleicht eine finale Sache? Gibt es noch irgendwas, wo Eltern sich belesen können oder an wen die sich wenden können, wenn sie Fragen haben? wie geht das weiter?
Dr. Martin Arbogast:Also, ich selbst habe in dieser Fragestellung jetzt auch zunächst mal den Dr Google aufgesucht, was der denn so sagt, und da muss ich sagen, das ist eigentlich gar nicht so verkehrt, was man da als Information bekommt, und das ist ja so heutzutage die erste Anlaufstelle, und wenn ich da eben nicht genügend Informationen bekomme oder nicht die passende Information bekomme, dann muss ich ganz einfach über die Kollegen und Kolleginnen den nächsten Schritt machen. So würde ich das planen wollen für meine Kinder, wenn es die denn betreffen würde.
Dr. Robert Hudek:Erneut Ja prima. also ich finde, das war eine sehr schöne Zusammenfassung, Und ich glaube, der Wachstumsschmerz eines der häufigsten und harmlosesten Erkrankungsbilder in unserer Zunft, die wir so sehen, aber wichtig abzugrenzen, vor allem, wenn es länger dauert und so wie es jetzt eben auch schon gut zusammengefasst wurde, nicht symmetrisch ist. Also herzlichen Dank für die wunderbare Darstellung dieser Sache bei Kindern und Jugendlichen. Ich habe mich sehr gefreut und danke vor allem auch unserem Gast Dr Martin Arbogast aus der Klinik Oberammergau, dem Chefarzt der Abteilung für Rheuma-Autopädie und Handchirurgie und Konsiliarius im Deutschen Zentrum für Kinder und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen. Herzlichen Dank. Untertitelung des ZDF 2020.